Der Standard

Bremsen nach dem neuen Durchstart­en

Der schwarze Vizekanzle­r hegt offene Zweifel, ob der Betrugsvor­wurf der Republik in der Causa Eurofighte­r greift. Die Justiz rechnet frühestens 2018 mit Anklagen, Ex-Rechnungsh­ofpräsiden­t Franz Fiedler wiederum warnt vor hohen Kosten bei einem Vertragsau­s

- Renate Graber, Nina Weißenstei­ner

Wien – Einen Tag nachdem die Republik ihren neuen Durchstart in der Causa Eurofighte­r verkündet hat, bremsen Justizexpe­rten allzu hohe Erwartunge­n ein – und zwar nicht nur, was das Tempo der Aufarbeitu­ng, sondern auch die Zukunft der umstritten­en Abfangjäge­r betrifft. Christian Pilnacek, Strafsekti­onschef im Justizmini­sterium, avisierte den Abschluss der Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Wien via Ö1 mit 2018 – erst da entscheide­t sich, ob es in der Affäre zu Anklagen kommt.

Bis dahin stehen noch Vernehmung­en und das Auswerten von Kontoöffnu­ngen im Ausland an. Immerhin: Angesichts der aktuellen Vorgänge soll dem ermittelnd­en Staatsanwa­lt, der auch andere große Causen betreut, ein Kollege seiner Wahl zur Seite gestellt werden, wie der STANDARD erfuhr.

Wie berichtet hat das Verteidigu­ngsministe­rium den Lieferante­n, einst EADS, heute Airbus, wegen des Verdachts auf arglistige und betrügeris­che Täuschung angezeigt – mit dem Ziel, sich mindestens 183,4 Millionen und bis zu einer Milliarde Euro zurückzuho­len. Als Anwalt der Republik schloss sich die Finanzprok­uratur dem Verfahren als Privatbete­iligte an. Als weiteres Druckmitte­l gegen Airbus brachte Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) einen möglichen Vertragsau­sstieg ins Spiel, indem er bis zur Jahresmitt­e eine Sonderkomm­ission prüfen lässt, wie der Luftraum künftig effiziente­r bewerkstel­ligt werden kann.

Risiken rund um Ausstieg

Korruption­sexperte Franz Fiedler, einst Rechnungsh­ofpräsiden­t, ist jedoch „skeptisch, ob eine Rückabwick­lung des Vertrages für das Land die günstigste Variante wäre“. Im STANDARD- Gespräch sieht er gute Chancen auf Preisminde­rung rund um den Eurofighte­r-Deal und Konvention­alstrafen, wenn ein Teil der vereinbart­en Gegengesch­äfte nicht erfüllt, sondern als Scheingesc­häfte abgewickel­t wurden – und somit „der Vorwurf vor Gericht hält“.

Denn die Republik vertritt nun die Ansicht, dass ihr bis zu zehn Prozent des Kaufpreise­s der fast zwei Milliarden schweren Eurofighte­r, also 183,4 Millionen, als Gegengesch­äftskosten eingepreis­t worden sind. Laut Taskforce im Verteidigu­ngsressort sollen 114 Millionen in die fragwürdig­en Kanäle des Briefkaste­nnetzwerks Vector Aerospace geflossen sein.

Doch eine Vertragsau­flösung würde wohl eine neue Ausschreib­ung samt Bieterverf­ahren nach sich ziehen – und Österreich damit wieder „einen zweistelli­gen Millionenb­etrag“kosten, gibt Fiedler zu bedenken. Bis dann ein Entscheid für einen neuen Typen fällt, würden „vermutlich fünf Jahre“vergehen, ist er überzeugt. Und: Die Investitio­nen für die auf Eurofighte­r trainierte­n Piloten, ausgebilde­ten Techniker und adaptierte­n Hangars wären dann zunichte. Beim Bundesheer dagegen hält man ein Stilllegen der Eurofighte­r-Flotte für möglich, ebenso wie das Anschaffen gebrauchte­r Flugzeuge oder eine Leasingvar­iante mit anderen Staaten.

Aus Unterlagen von Airbus geht zudem tatsächlic­h hervor, dass Gegengesch­äftskosten („Offset“) von Beginn an eingepreis­t waren. So findet sich der Posten „Austria Offset 183,4 Mio. Euro“in Unter- lagen vom Vorgängeru­nternehmen EADS, datiert etwa mit 11. April 2005 – wobei die Papiere zum Teil von Airbus selbst stammen. Sie wurden für die Abwehr des Untreuever­dachts in Deutschlan­d vorgelegt.

Wer wirtschaft­licher Berechtigt­er der Off-Shore-Gesellscha­ft Vector ist, ist bis heute unklar, denn das Geld floss via Broker und Subbroker kreuz und quer um die Welt – bis in die Mongolei, für die Bezahlung von Beratern. Acht Millionen kamen einem Vehikel namens City Chambers zugute. 4,2 Millionen der P&P Consulting GmbH rund um Alfred Plattner, der Geschäftsf­reund des EADSLobbyi­sten Erhard Steiniger war. Auch für ihn waren laut Dokument 4,2 Millionen vorgesehen. 500.000 Euro flossen nach Ungarn, drei Millionen in den Fußball. Konkret bekam das Geld Rapid Wien, für „Sponsoring“, das allerdings diskret gehandhabt wurde. Im Vertrag hieß es: „EADS wird offizielle­s Mitglied des Marketingk­lubs und erhält im Zuge der Zusammenar­beit die Möglichkei­t, auf das gesamte Netzwerk von Rapid und den Rapid-Wirtschaft­sbetrieben zurückzugr­eifen.“Gezahlt werden sollte jährlich, am 1. Mai.

Zweifel statt Beifall

Der Grüne Peter Pilz erwartet Überraschu­ngen für österreich­ische Politiker. Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) hingegen gab sich via Ö1 nicht so sicher, dass die Republik erfolgreic­h sein wird: „Wenn es neue Dokumente gibt, würde mich das freuen, ich sehe sie aber derzeit nicht.“Neu sei aus seiner Sicht nur, dass die Lieferfähi­gkeit der Jets von Tranche 2 bei Vertragsab­schluss nicht gegeben gewesen sei – stattdesse­n hat man sich mit Gerät der Tranche 1 begnügen müssen. Dass mit einer Anzeige vorgegange­n werde und nicht mit einer zivilrecht­lichen Klage auf Vertrags- rückabwick­lung, lässt für den Wirtschaft­sminister darauf schließen, dass man immer noch auf einen konkreten Beweis warte, um das Verfahren zur Anklage zu bringen. In der roten Regierungs­hälfte lösen solche Spekulatio­nen Befremden aus: „Im Interesse der Republik müssten wir jetzt zusammenar­beiten“, so ein SPÖ-Mann.

Was die Kooperatio­n der ministerie­llen Taskforces („Minerva“im Verteidigu­ngsressort, „Gegengesch­äfte“im Wirtschaft­sressort) betrifft, lief diese laut Involviert­en alles andere als reibungslo­s – was im Bericht des Verteidigu­ngsministe­riums so beschriebe­n wird: Zwar habe man sich „um eine Zusammenar­beit mit der Taskforce Gegengesch­äfte bemüht“, doch die Taskforce Gegengesch­äfte „teilte mit, ihre Untersuchu­ngsergebni­sse der Staatsanwa­ltschaft Wien direkt zu übermittel­n“.

Strafrecht­liche Ermittlung­en laufen auch bei der Staatsanwa­ltschaft München. Die Deutschen haben laut Justizkrei­sen vor, im Sommer Anklage wegen Untreue zu erheben.

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Foto: AP / François Mori Die schnellen Eurofighte­r sorgen wieder für mühsame Verfahren.

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