Der Tobende vor der Flüchtlingsunterkunft
Ein 20-Jähriger bestreitet, um Mitternacht aus nichtigem Grund ausgerastet zu sein
Wien – „Also eine einzige Katastrophe“fasst Richter Norbert Gerstberger die Zukunftsperspektiven von Shahed K. zusammen. Der in Pakistan geborene und aufgewachsene Afghane kam im Jahr 2011 nach Österreich, sein Asylantrag wurde abgelehnt. Laut Jugenderhebung hat der 20-Jährige weder einen Schulabschluss noch Chancen auf dem Arbeitsmarkt, ist meist obdachlos, sei frustriert und hoffnungslos und fühle sich ungerecht behandelt.
Das merkt man ihm auch in diesem Verfahren um versuchten Hausfriedensbruch, gefährliche Drohung und Sachbeschädigung an. Er bekennt sich großteils nicht schuldig, gibt nur zu, gegen die Tür einer Caritas-Unterkunft getreten zu haben.
„Ich wollte meinen Rucksack holen“, sagt er. Den Wunsch wollte er um Mitternacht in die Tat umsetzen. Er rief vor der Tür einen anderen Bewohner an und wollte, dass der ihm den Rucksack bringt. Der Bekannte fragte bei einer Betreuerin nach, die sagte, das gehe derzeit nicht.
„Sie sollen dort dann getobt haben? Stimmt das?“, fragt ihn Gerstberger. „Naja, ich habe Gegenstände gegen die Fenster geschmissen.“Es soll auch recht lautstark zugegangen sein. Dass er „Ihr Huren!“geschrien hat, gibt der Angeklagte zu. Dass es „Ihr Huren, ich komm jetzt rein und ficke euch! Ich stech euch ab!“war, wie die Betreuerinnen behaupten, stimme aber nicht. Die Sozialarbeiterinnen scheinen von dem Vorfall so traumatisiert zu sein, dass sie seit 18. Jänner in Krankenstand sind.
Sie riefen die Polizei, zu diesem Einsatz gibt es ebenso zwei Versionen. K. sagt, er sei ruhig auf dem Gehsteig gestanden und habe gefragt, warum sie hier seien. Die Antwort sei „Du bist sowieso ein Arschloch“gewesen, rasch sei er auch zu Boden gebracht und mit Handschellen gefesselt worden.
„Einer der Polizisten hat dann gesagt ‚Ich ficke deine ganze Familie!‘“, behauptet er. Daraufhin sei auch er zornig geworden und habe „Ich ficke dich!“gerufen. Dass möglicherweise auch „Ich bring dich um!“dabei gewesen ist, kann er nicht ganz ausschließen.
Die Beamten sagen als Zeugen dagegen, K. sei plötzlich „auf 180 gewesen“, daher habe man ihn festgenommen. Er habe sich gewehrt, beleidigt habe ihn aber niemand.
Richter Gerstberger legt den Prozess dramaturgisch geschickt an. Denn K.s Vorstrafakt verliest er erst am Ende des Verfahrens. Die Aufstellung ist nicht recht vorteilhaft. In vier Jahren sammelte er drei rechtskräftige und eine nicht rechtskräftige Verurteilung, meist wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und gefährlicher Drohung. Diesmal werden es nicht rechtskräftig sieben Monate unbedingt, dazu wird ein Jahr einer offenen bedingten Haft widerrufen. „Sie haben ein eminentes Problem“, stellt Gerstberger fest.