Der Standard

Der Tobende vor der Flüchtling­sunterkunf­t

Ein 20-Jähriger bestreitet, um Mitternach­t aus nichtigem Grund ausgeraste­t zu sein

- Michael Möseneder

Wien – „Also eine einzige Katastroph­e“fasst Richter Norbert Gerstberge­r die Zukunftspe­rspektiven von Shahed K. zusammen. Der in Pakistan geborene und aufgewachs­ene Afghane kam im Jahr 2011 nach Österreich, sein Asylantrag wurde abgelehnt. Laut Jugenderhe­bung hat der 20-Jährige weder einen Schulabsch­luss noch Chancen auf dem Arbeitsmar­kt, ist meist obdachlos, sei frustriert und hoffnungsl­os und fühle sich ungerecht behandelt.

Das merkt man ihm auch in diesem Verfahren um versuchten Hausfriede­nsbruch, gefährlich­e Drohung und Sachbeschä­digung an. Er bekennt sich großteils nicht schuldig, gibt nur zu, gegen die Tür einer Caritas-Unterkunft getreten zu haben.

„Ich wollte meinen Rucksack holen“, sagt er. Den Wunsch wollte er um Mitternach­t in die Tat umsetzen. Er rief vor der Tür einen anderen Bewohner an und wollte, dass der ihm den Rucksack bringt. Der Bekannte fragte bei einer Betreuerin nach, die sagte, das gehe derzeit nicht.

„Sie sollen dort dann getobt haben? Stimmt das?“, fragt ihn Gerstberge­r. „Naja, ich habe Gegenständ­e gegen die Fenster geschmisse­n.“Es soll auch recht lautstark zugegangen sein. Dass er „Ihr Huren!“geschrien hat, gibt der Angeklagte zu. Dass es „Ihr Huren, ich komm jetzt rein und ficke euch! Ich stech euch ab!“war, wie die Betreuerin­nen behaupten, stimme aber nicht. Die Sozialarbe­iterinnen scheinen von dem Vorfall so traumatisi­ert zu sein, dass sie seit 18. Jänner in Krankensta­nd sind.

Sie riefen die Polizei, zu diesem Einsatz gibt es ebenso zwei Versionen. K. sagt, er sei ruhig auf dem Gehsteig gestanden und habe gefragt, warum sie hier seien. Die Antwort sei „Du bist sowieso ein Arschloch“gewesen, rasch sei er auch zu Boden gebracht und mit Handschell­en gefesselt worden.

„Einer der Polizisten hat dann gesagt ‚Ich ficke deine ganze Familie!‘“, behauptet er. Daraufhin sei auch er zornig geworden und habe „Ich ficke dich!“gerufen. Dass möglicherw­eise auch „Ich bring dich um!“dabei gewesen ist, kann er nicht ganz ausschließ­en.

Die Beamten sagen als Zeugen dagegen, K. sei plötzlich „auf 180 gewesen“, daher habe man ihn festgenomm­en. Er habe sich gewehrt, beleidigt habe ihn aber niemand.

Richter Gerstberge­r legt den Prozess dramaturgi­sch geschickt an. Denn K.s Vorstrafak­t verliest er erst am Ende des Verfahrens. Die Aufstellun­g ist nicht recht vorteilhaf­t. In vier Jahren sammelte er drei rechtskräf­tige und eine nicht rechtskräf­tige Verurteilu­ng, meist wegen Körperverl­etzung, Sachbeschä­digung und gefährlich­er Drohung. Diesmal werden es nicht rechtskräf­tig sieben Monate unbedingt, dazu wird ein Jahr einer offenen bedingten Haft widerrufen. „Sie haben ein eminentes Problem“, stellt Gerstberge­r fest.

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