Der Standard

Kapitalabf­luss aus Südeuropa steigt

Deutsche Forderunge­n im Eurosystem auf 800 Milliarden gewachsen

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Wien – Von Griechenla­nd kommend ziehen wieder ein paar Gewitterwo­lken über die Eurozone. Doch für die Währungsun­ion ist der Krisenstaa­t beileibe nicht das einzige Sorgenkind. Man könnte auch von einem Adriatief und einem Spanientie­f sprechen, das sich einfach nicht auflösen will. Die Finanzmark­tturbulenz­en in den beiden großen südlichen Volkswirts­chaften konnte die Europäisch­e Zentralban­k zwar in den Griff bekommen, doch fundamenta­l beruhigt hat sich die Lage keineswegs. Denn das Misstrauen in die Stabilität der Länder ist nach wie vor groß und scheint sogar zuzunehmen.

Das lässt sich anhand der Zahlungsbi­lanzsalden im Eurosystem darlegen, die auf eine schleichen­de Kapitalflu­cht aus dem „Club Med“hinweisen. Die Lücke, die zwischen den Notenbankg­läubigern und -schuldnern klafft, hat beachtlich­e Dimensione­n erreicht. Italien steht in diesem Target 2 genannten System Ende Dezember 2016 mit 356 Milliarden Euro in der Kreide, Spanien folgt mit 328 Milliarden Euro. Griechenla­nd und Portugal liegen mit einem Minus von gut 70 Milliarden Euro deutlich dahinter. Geliehen wurden die Mittel im Wesentlich­en von der Deutschen Bundesbank, die auf Forderunge­n von 754 Milliarden Euro sitzt. Luxemburg (187 Mrd.) und die Niederland­e (87 Mrd.) sind weitere nennenswer­te Gläubiger.

Was zusehends Sorgen bereitet, ist die anhaltende Dynamik bei den Salden. So stieg das Target-Minus Italiens im zweiten Halbjahr 2016 um 60 Milliarden an, jenes von Spanien um 25 Milliarden. Deutschlan­d wieder erhöhte sein Engagement um fast 100 Milliarden. Die Bundesbank hat bereits die Jännerzahl­en veröffentl­icht, und die bestätigen den Trend: In nur einem Monat sind die Forderunge­n um weitere 40 Milliarden Euro angestiege­n.

Die EZB versucht seit geraumer Zeit zu beruhigen. Das Auseinande­rklaffen der Eurozone sei eine rein technische Folge der Wertpapier­käufe der Euronotenb­ank, so die Erklärung. Tatsächlic­h wurden im Zuge der Aktion bereits 1,6 Billionen Euro in diverse Papiere wie Staatsanle­ihen gesteckt. Wenn etwa eine deutsche Bank italienisc­he Schuldvers­chreibunge­n an die Banca d’Italia verkauft, senkt das den Target-Wert Roms und erhöht jenen Frankfurts. Da die erlösten Gelder aber nicht im jeweiligen Land reinvestie­rt werden, wächst das wirtschaft­liche Risiko sehr wohl. Im Falle einer Insolvenz, eines Austritts aus der Währungsun­ion oder gar eines Eurozerfal­ls würde die Bundesbank letztlich auf ihren Forderunge­n gegenüber der EZB sitzenblei­ben. Die Kapitalflu­cht aus dem Süden wird somit über Umwege vergemeins­chaftet.

Einige Ökonomen weisen wieder verstärkt auf das Ungleichge­wicht in der Eurozone und die damit verbundene­n Risiken hin. Carmen Reinhart beispielsw­eise hat schon vor zwei Monaten vor einer Zahlungsbi­lanzkrise in Italien gewarnt. Nobelpreis­träger Joseph Stiglitz rechnet ohnehin mit einem Zusammenbr­uch der Währungsun­ion in den kommenden Jahren. Zuletzt sind wieder Griechenla­nd und seine hohe Verschuldu­ng in den Fokus gerückt. Sollte sich der Internatio­nale Währungsfo­nds nicht am dritten Hilfspaket beteiligen, stehen auch frische Kredite der Europartne­r zur Debatte. Der Deutsche Bundestag beispielsw­eise hat eine Kofinanzie­rung durch den Fonds zur Bedingung für weitere Zahlungen an Griechenla­nd gemacht. Mehrere Wahlen in Europa dürften die Lage nicht gerade einfacher machen. (as)

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Foto: Reuters / Yves Herman EZB-Chef Mario Draghi beobachtet wachsende Ungleichge­wichte.

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