Der Standard

„Das Spiel ist unerschöpf­lich ...“

Im Gespräch mit Valentin Dragnev. Von ruf & ehn

-

Valentin Dragnev, Jahrgang 1999, ist eines der größten Schachtale­nte Österreich­s. Beim offenen Turnier in Gibraltar feierte er sechs Siege, mit einer Elozahl von weit über 2500 Punkten zählt er mit Markus Ragger und Dawit Shengelia zu den stärksten Spielern des Landes. Grund genug für ein Gespräch. Wir begegnen einem smarten und zugleich humorvolle­n jungen Mann.

Standard: Wie kommt man dazu, mit 17 Jahren auf Rang drei der österreich­ischen Rangliste zu stehen? Dragnev: Mein Vater hatte einige Taktikbüch­er zu Hause. Ich habe sie durchgeseh­en, als ich noch keine zehn Jahre alt war. Die Muster haben sich mir eingeprägt, das hat mir dann im Schachclub und beim Spiel im Internet vielleicht geholfen. Ich habe früh den Wunsch gehabt, Schachprof­i zu werden, intensiv widme ich mich dem Spiel aber erst seit einem Jahr. Nach wie vor fasziniert mich, dass man das Spiel im Grunde nicht meistern kann. Es gibt natürlich viele Dinge, die sich wiederhole­n, aber das Spiel ist unerschöpf­lich.

Standard: Wie klappt das mit der Schule? Dragnev: Ich lerne seit einem Jahr extern, seit ich die fünfte Klasse abgeschlos­sen habe. Mit dem regulären Schulbesuc­h geht sich das nicht mehr aus.

Standard: Von Spielern lernen meisten? Dragnev: Es gibt so viele, von denen ich derzeit lerne und noch lernen kann. Aber wenn ich mich entscheide­n müsste, wäre es wohl Capablanca, der mich fasziniert – seine Eleganz und die

welchen Sie am Leichtigke­it seiner Partien. Die größte Begabung hat heute ohne Zweifel Magnus Carlsen.

Wie

trainieren

Standard: Sie? Dragnev: Unterschie­dlich. Vor Turnieren bereite ich mich wie alle intensiv auf meine Gegner vor. Ich trainiere vor allem mit Großmeiste­r Dawit Shengelia, aber auch mit anderen wie Rainer Buhmann, Alexander Delchev, Zoltan Ribli oder Lubomír Ftáčnik. 90 Prozent der Zeit arbeite ich allerdings selbststän­dig, im Schnitt sieben Stunden am Tag, ich mache aber auch schon ein paar Tage frei, vor allem vor Turnieren.

Standard: Und was macht ein Schachspie­ler, wenn er sich freinimmt? Dragnev: Viel Sport – Fußball, Basketball, MountainBi­king. Und ich höre sehr gerne Musik. Früher German Rap, heute klassische Musik.

Standard: Wo sind Ihre Stärken? Dragnev: Vielleicht bin ich nicht der richtige, um darüber zu sprechen. Aber ich glaube, ich habe wenig men- tale Schwierigk­eiten, ich bin eher locker und spüre wenig Druck während der Partie. Und ich möchte gerne gewinnen, ich habe diesen Killerinst­inkt. Ich mache wenige kurze Unentschie­den, lieber spiele ich noch drei Stunden länger.

Standard: Und wenn dann verlieren? Dragnev: Dann tut das weh, manchmal sehr weh. Aber ich bin nicht traurig, sondern ich ärgere mich dann – oft sehr.

Sie

Standard: Träumen Sie vom Schach? Dragnev (lacht): Selten und dann nur absurde Stellungen. Einmal habe ich die Lösung einer sehr schwierige­n Schachstud­ie, die ich vor dem Schlafenge­hen analysiert habe, gefunden. Leider ist mir das nur ein einziges Mal gelungen.

Standard: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren? Dragnev (nach längerem Nachdenken): Ich vermute, ich werde noch Schach spielen.

Standard: War das Turnier in Gibraltar bislang Ihr größ- ter Erfolg, sechs Siege, ein Haufen Elo-Punkte?

Na ja, immerhin habe ich an einem Tag Igor Kowalenko geschlagen und am nächsten ...

Standard: ... Wassili Iwantschuk, unseren sentimenta­len Favoriten!

Ja, der Mann ist eine Legende. Er hatte mich zunächst überspielt, aber dann konnte ich ihn austrickse­n. Ich kann nicht sagen, dass es mir leidgetan hat. Hier die Stellung nach 19 Zügen:

Iwantschuk – Dragnev Gibraltar 2017 Die weiße Königsstel­lung sieht zwar etwas offen aus, aber dank der besseren Struktur und dem Läuferpaar hat Weiß aus der Eröffnung Vorteil erzielt.

Zuerst 20.Dh6! hätte den Vorteil bewahrt. Besser 20... Df8.

Besser 22... Da5! mit Gegenspiel. Nun kommt Schwarz um den Damentausc­h nicht mehr herum, wonach das weiße Läuferpaar sehr stark wird.

Genauer wäre 26.La3 gewesen, um Sf8 zu verhindern. Oder 27.The1 Lg4!

Ich schätzte meine Stellung als hoffnungsl­os ein. Iwan- tschuk kam hier aber in Zeitnot und wurde sichtlich nervös. Ich spürte, dass ich noch Chancen auf Tricks hatte.

34.a4 bewahrte alle Vorteile. Diesen Abzug auf den Läufer h6 hatte er übersehen.

Ein Fehler folgt dem nächsten. Nach 35.Txc5! Txh6 36.Td5! gewinnt Weiß die Figur zurück und kann noch kämpfen.

Nun verliert Weiß noch einen Bauern, und der Sieg wird eine Frage der Technik. Natürliche­r sieht 37.Lc1 aus, wonach Weiß zumindest noch praktische Chancen behält: 37... Txa2+ 38.Lb2 Ta5.

Nach diesem Zug ist die Partie vorbei. Schwarz dringt entscheide­nd ein.

Ich sah 40... Txh2 41.Txc8+ Kf7, wollte aber im 40. Zug kein unnötiges Risiko eingehen.

kam hier Natürlich ein Remis für mich nicht mehr infrage.

Der letzte Schlüsselz­ug der Partie. Wegen des drohenden Eindringen­s auf die zweite Reihe ist Weiß zum Turmtausch gezwungen. 0–1 (Kommentar Valentin Dragnev) Lc8 2.

 ??  ?? Valentin Dragnev (17), Schachprof­i: sechs Siege in Gibraltar, Nummer drei Österreich­s. Dragnev: Dragnev:
Valentin Dragnev (17), Schachprof­i: sechs Siege in Gibraltar, Nummer drei Österreich­s. Dragnev: Dragnev:
 ??  ?? 35... Sxc7
35... Sxc7
 ??  ?? 33.Lh6+
33.Lh6+
 ??  ?? Te8!
Te8!
 ??  ?? 39.Lxf6 Te3! 40.Lb1 Ta1
39.Lxf6 Te3! 40.Lb1 Ta1
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria