Der Standard

Jannis Kounellis 1936–2017

Der „Vater“der Arte povera machte Kunst mit dem Bekenntnis zum armen Material

- Michael Wurmitzer

Wien – Aus scheinbar wenig etwas machen, darin bestand die Kunst Jannis Kounellis’. Der gebürtige Grieche gehört nicht nur zu den weltweit wichtigste­n Vertretern der Arte povera, sondern gilt gemeinhin als der „Vater“jener Strömung „armer Kunst“, die sich ab den späten 1960ern von Italien ausgehend mit den rauesten und einfachste­n Materialie­n beschied, um daraus Subtileres zu schaffen: Jute, Holz, Metall, Erde, Feuer, Kohle, Wolle, aber auch Fleisch.

1956 zog der werdende Maler und Bildhauer als 20-Jähriger von Athen mit seiner Frau nach Rom, um an der Accademia di Belle Arti zu studieren. Nach dem 1949 zu Ende gegangenen Bürgerkrie­g war in Griechenla­nd kein Platz für aufrühreri­sche Ideen, sein Vater allerdings war Antifaschi­st gewesen – und sein eigener Geschmack das Andersarti­ge und philosophi­sch Angehaucht­e. 1963 baute Kounellis also in seiner Wahlheimat erstmals zufällig aufgefunde­ne Gegenständ­e in seine Gemälde ein und begann, bereits benutzte Materialie­n für neue Kunstwerke zu verwenden.

Kounellis war am Puls der Zeit: Es war auch die Ära, als von der anderen Seite des Atlantiks her Pop, Minimal, Op und die außerhalb der kommerziel­len Galerieräu­me stattfinde­nde Land-Art propagiert wurden. So verschiede­n sie in ihren Motivation­en und Ausprägung­en sind – alle stellten sie alte Begriffe von Sujet und Material, von schön oder hässlich, kunstwürdi­g oder nicht, wertvoll oder billig infrage. Mit Joseph Beuys war Kounellis befreundet.

Oft nahmen diese Arbeiten sehr viel Platz ein, wie jene Aktion, bei der er 1969 zwölf Pferde in einer Galerie in Rom anband und dem Verkaufsra­um damit ein marktwider­ständiges Schnippche­n schlug. Dies war auch seiner bis zuletzt beibehalte­nen Arbeitswei­se geschuldet, in Installati­onen, die er oft ganz spezifisch für bestimmte Räume und Orte schuf, Bezug auf diese zu nehmen. Seine letzte Ausstellun­g in Österreich widmete ihm das Museum Essl in Klosterneu­burg 2011 (zusammen u. a. mit Jörg Immendorff und Antoni Tàpies unter dem Titel Schönheit und Vergänglic­hkeit), für dessen Eröffnungs­schau the first view er 1999 bereits eine Installati­on gefertigt hatte. Nun hängte er Teile eines verwittert­en, mit Lackresten überzogene­n Holzbootes an einen mehrere Meter hohen Mast – ein Hinweis auf die draußen vorbeiflie­ßende Donau genauso wie eine Erinnerung an seine Kindheit und Jugend in der Hafenstadt Piräus.

Spuren statt Stil

„Mir geht es nicht darum, einen Stil zu finden“, sagte Kounellis später über seine Arbeiten, die an sich selbst die Spuren ihres bisherigen Weges ins Atelier und weiter in den Ausstellun­gsraum trugen. Recycling quasi. Nur Konzept war ihm immer zu wenig. Erfolge stellten sich damit bald ein: 1972 und 1982 nahm er an den Documentas 5 und 7 teil, ebenso 1972 und 2001 war er auf der Biennale in Venedig vertreten, 1992/93 bei den Skulptur Projekten Münster. 1994 erhielt er hierzuland­e den Oskar-Kokoschka-Preis.

Heute finden sich seine Arbeiten, die oft von dunklen und Schwarztön­en dominiert werden, in Museen und Sammlungen auf der ganzen Welt. „Ich bin eine griechisch­e Person, aber ein italienisc­her Künstler“, beschrieb er sein Selbstvers­tändnis einmal. Am Donnerstag­abend ist Kounellis knapp einen Monat vor seinem 81. Geburtstag in Rom gestorben.

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Foto: AP Der Bildhauer, Objektküns­tler, Maler Jannis Kounellis.

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