Ein Fanatiker des Möglichen
Die Galerie Kopriva Krems präsentiert bis 18. März in einer umfangreichen Ausstellung das informelle Frühwerk des Malers Andrew Molles (1907–1975) aus der Zeit von 1956 bis 1962. Eine Schau mit Molles’ isometrischen Bildern ist für nächstes Jahr geplant.
Krems – Neugierde, Forscherdrang, Experiment, radikale Freiheit, auch Ungeduld sind die vielleicht wichtigsten Konstanten im Werk von Andrew Molles. „Einen Besessenen“nannte ihn der Kunsthistoriker und ehemalige Linzer Museumsdirektor Peter Baum: „Legitimation für den Prozess der Bildwerdung war für ihn die Bereitschaft, immer wieder neu zu beginnen.“
Erachtete Molles eine ihm wichtige malerische Problemstellung als erledigt, wandte er sich sofort Neuem zu, entwickelte erworbene Techniken geschickt weiter. Die Wiederholung erfolgreicher Kunststrategien, mithin malerische Routine, waren seine Sache nicht. Einer Etablierung am Kunstmarkt war dies wohl eher wenig zuträglich. Wiewohl bestens informiert über internationale Tendenzen und Strömungen, interessierte ihn herzlich wenig, selbst so etwas wie eine Trademark zu entwickeln. Nicht (sich) verkaufen wollte er, sondern malen. Das schien ihm, dem Außenseiter der Kunstszene, die einzig sinnvolle Beschäftigung.
Spätberufener Künstler
Dabei war Molles, was die Kunst angeht, ein Spätberufener, auch wenn sein umfangreiches OEuvre (mehr als 3000 Öl- und Acrylbilder) und seine künstlerische Bandbreite (Informel, Action-Painting, Écriture automatique, Art brut, Porträts, Strukturbilder, Op-Art bis hin zu Graffitikunst) anderes vermuten ließen. Doch tatsächlich widmete er sich erst mit fünfzig ausschließlich der Malerei, fand in und mit ihr sein Grundbedürfnis für ein erfülltes Leben gestillt.
Geboren 1907 in Middletown, Kalifornien, studierte er zwischen 1929 und 1943 Philosophie, Literatur und Journalistik an der Sorbonne. Andrew Molles arbeitete zunächst als Schriftsteller und Journalist. Aber da ihn das Schreiben, wie er später bekennen soll- te, „nicht freute“, jobbte er in diversen Brotberufen, war Landvermesser, Möbeltischler, Eisenbahnarbeiter, erfolgreicher Selfmademan, ehe er schließlich als Privatier die Malerei als das ihm adäquate Mittel zur Selbstverwirklichung entdeckte.
Nicht unwesentlichen Anteil daran hatte übrigens eine Begegnung mit Oskar Kokoschka, dessen Schule des Sehens in Salzburg er 1957 und 1958 auch besuchen sollte. Vorher aber, 1953 und immerhin schon 46-jährig, schrieb er sich an der Ida-Abbey-Kunstschule in Los Angeles ein.
Verästelungen
Doch erst 1955, mit seiner Übersiedelung nach Österreich, wo er gemeinsam mit seiner Frau Emmy bis zu seinem Tod 1975 in Wien und im niederösterreichischen Rohrau lebte und arbeitete, begann seine durchaus erstaunliche künstlerische Karriere. Er wurde Gasthörer bei Josef Dobrowsky an der Wiener Akademie der bildenden Künste, doch in Wirklichkeit blieb er Autodidakt, eigenwillig, eigenständig und, ja, wenn man nachfolgende Künstlergenerationen anschaut, bahnbrechend. Vieles, was Jahre später in den Ateliers und am Kunstmarkt en vogue war, hatte Molles in manischer Schaffenslust quasi vorgemalt.
„Was Molles in unzähligen Varianten auf die Leinwand bannte, erklärt sich letztlich aus dem Optimismus und der naiven Unbekümmertheit eines Amerikaners, für den ein Problem existiert, um es lösen zu können, um unmittelbar darauf ein neues Ziel vor Augen zu haben“, schrieb der Kunsthistoriker Wolfgang Hilger 1981 anlässlich einer Molles-Ausstellung. Die erste Präsentation 1959 in der Österreichischen Staatsdruckerei wurde von der Kritik zwar noch mit Häme übergossen; doch schon zwei Jahre später nannte ihn einer dieser Kritiker einen „Fanatiker des Möglichen“, der sich „zu voller Freiheit entwickelt“habe.
Raum und Räumlichkeit beschäftigten Molles, das Verhältnis von Farbe und Form, Undurchsichtigkeit und Klarheit, Chaos und Beruhigung. Amorphe Urtier- chen, Erdfurchen, blaue, gelbe, rote (Schlangen-)Linien, Flugbahnen, abstrakte Fantasiewesen, undurchdringbare Verästelungen, rhythmische Zustreichungen und -strichelungen, elegante Kompositionen, wie im Furor gemalte, grün lodernde Zungen, Zeichen und Kürzel, Farbengestöber und Labyrinthe.
„Molles gelingt es, mittels einer farbigen Linienwelt den gesamten Bildraum derart dynamisch zu gestalten, dass der Betrachter sich regelrecht einem Schleuderprozess ausgesetzt fühlt“, schrieb der ehemalige Direktor der Kremser Kunsthalle, Tayfun Belgin, über Molles’ informelle Universen in einer reich bebilderten Künstlermonografie (siehe auch Artikel rechts).
So vielfältig und -gestaltig Molles’ in zwei Jahrzehnten geschaffenes Werk ist, so lässt es sich doch in zwei große Werkphasen teilen: die zwischen 1956 und 1962 entstandene informelle Malerei, die derzeit von der Galerie Kopriva Krems gezeigt wird; und die sich an Op-Art orientierende isometrische Bildwelt. Sie wird nächstes Jahr ausgestellt. Galerie Kopriva Krems, Dominikanerplatz 1, Di–Fr 10–12 und 14–18 Uhr, Sa 10–16 Uhr. Bis 18. März