Der Standard

Kurzsichti­gkeit der EU

- Andrej Ivanji

Blickt man aus Brüssel oder Washington, Wien oder Berlin auf Serbien, dann sieht man einen EUBeitritt­skandidate­n, der brav seine Hausaufgab­en macht. Nun gut, gewiss gibt es Probleme, etwa mit Korruption, dem Demokratie­verständni­s oder der Medienfrei­heit, aber man hat ja keine Eile. Aus der EU-Erweiterun­g wird in absehbarer Zeit ohnehin nichts. Ab und zu eine freundscha­ftliche Kritik, das sollte erst einmal reichen.

Blickt man aber aus der Position der serbischen Opposition oder der Zivilgesel­lschaft auf das Land, dann sieht man einen machtbeses­senen Premier, der Medien gleichscha­ltet und Andersdenk­ende als Volksfeind­e brandmarkt. Man sieht ein Land, in dem vor lauter Populismus Sinn und Wahrheit nicht mehr zu erkennen sind.

Die EU unterstütz­t Premier Aleksandar Vučić. Österreich unterstütz­t ihn. Das Kalkül: Solange er kooperativ in der Kosovo-Frage ist, dem Sparkurs der Weltbank folgt und Serbien von Russland sowie Flüchtling­e von der EU fernhält, so lange können innenpolit­ische Eskapaden geduldet werden. Hauptsache, es geht friedlich zu.

Diese Kurzsichti­gkeit ist frappieren­d. Denn die innere Entwicklun­g entfernt Serbien immer mehr von der EU. Das Modell gleicht dem Modell Putins oder Orbáns. Und das gilt nicht nur für Serbien. Wenn die EU auf dem Westbalkan weiter die Augen zudrückt, dann wird es in der Region bald nicht mehr so gemütlich friedlich zugehen.

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