Ökumene und kommunaler Volksentscheid
Im burgenländischen St. Andrä soll Mitteleuropas erstes orthodoxes Kloster gebaut werden. Am Dienstag entscheidet sich, ob es einer Volksabstimmung bedarf. Orthodoxes Leben gibt es aber bereits.
St. Andrä – Hinterm Bahnhof geht’s hinaus zum Zicksee. Die letzten Häuser von St. Andrä, links eine Feriensiedlung, ein Campingplatz, das Strandbad, rechts Ackerland, flach und weit, bis nach Frauenkirchen hinüber. Die dortige St.-Martins-Therme ist schon in Sichtweite. Hier, in St. Andrä herüben, soll ein geistliches Pendant dazu errichtet werden. „Eine Therme für die Seele“, nennt Pater Igor jene Klosteranlage, die auf den Ackerflächen hinter dem Ort, an der Straße zum See, errichtet werden soll.
Der Grund, sieben Hektar ungefähr, gehört der Diözese Eisenstadt. Die hat ihn der orthodoxen Kirche gewissermaßen als Lehen gegeben. Und hier soll Mitteleuropas erstes griechisch-orthodoxes Kloster entstehen. Paul Zulehner, der katholische Pastoraltheologe, nennt das „ein großes Glück“, denn „damit erhalte der Ort ein spirituelles Juwel“.
Ob St. Andrä dieses Glück annehmen will, wird sich bald vorentscheiden. Es gibt nämlich auch hartnäckigen Widerstand gegen den Klosterbau, für den sich vor rund einem Jahr eine Volksbefra- gung schon ausgesprochen hat. Nun wurden Unterschriften gesammelt, um eine kommunale Volksabstimmung zu erzwingen, so wie im benachbarten Frauenkirchen in Glashaus-Angelegenheiten. Vor 14 Tagen verkündeten die Klostergegner, sie hätten die nötigen 25 Prozent der Wahlberechtigten beieinander, es gab allerdings fehlerhafte darunter, die Nachfrist endet am Dienstag.
„Innerhalb von drei Monaten“, so Gerhard Mauersics, der Sprecher der Initiative, „muss dann die Volksabstimmung durchgeführt werden.“Dass sie das wird, man also die nötigen Unterschriften gegen die Umwidmung zusam- menbringe, bezweifelt er nicht. „Es schaut gut aus“, sagte er vergangene Woche.
Während die ortspolitischen Wogen, wenn schon nicht hoch, so doch hin und her gehen, hat sich im vergangenen Jahr bereits so was wie ein orthodoxes Leben etabliert in der 1300-Seelen-Gemeinde im Seewinkel. Die Mönche – sechs sind es zurzeit – haben sich eingerichtet in einem Haus gegenüber dem Bahnhof.
Ein offenes Haus, wie man betont. „Wir sind ja zur Gastfreundschaft angehalten“, sagt Pater Igor. Und man erlebe diese hier auch, im Seewinkel. Gerade zu den Gottesdiensten in der kleinen St.-Bar- tholomäus-Kapelle, „in denen“, so Paul Zulehner, „der Himmel auf die Erde heruntergesungen wird“, lade man die Ortsbevölkerung. Das werde auch angenommen. Ein Verein der Freunde hat sich etabliert, eine Wirtin versorgt die Mönche zuweilen mit Essen, ein Landwirt unterweist Pater Arsenios in der Kunst der Ziegenhaltung.
Eine Pension musste in diesem Winter Heizkörper anschaffen, weil auch außerhalb der bisherigen Saison auf einmal Gäste gekommen sind, beziehungsweise Pilger, wie die Patres sagen. Als Teil der Tourismuswirtschaft sieht man sich klarerweise nicht, aber man bestreitet auch nicht den Effekt. „Die Pilger kommen ja nicht nur zu uns“, sagt Pater Arsenios – sondern auch in die Therme für den Leib nach Frauenkirchen; oder in die Therme für den Shoppingwahn nach Parndorf.
Für die katholische Verpächterin ist das Projekt ein Teil des Vermächtnisses von Kardinal König, der ja sein Lebtag lang beschäftigt war mit dem Voranbringen der Ökumene. Bischof Ägidius Zsifkovics war auch heuer wieder bei der traditionellen Wasserweihe, diesmal auf dem Eis des Zicksees. Stanislav Zvolenský, Erzbischof von Bratislava, hat dem Kloster Reliquien des heiligen Johannes von Alexandrien geschenkt. Der Papst hat das Vorhaben gesegnet, nicht nur abgesegnet.
Nicht mehr als zwölf Brüder
Das Kloster wird – so die Umwidmung nicht zurückgenommen werden muss – den schönen Namen „Maria Schutz Kloster des heiligen Paisios vom Berg Athos“tragen. Mehr als zwölf Brüder werden dort nicht leben, sagt Pater Igor, nur so viele Zellen werde es geben. Aber St. Andrä soll doch auch ein spirituelles Zentrum werden für die immerhin 600.000 Orthodoxen in Österreich.
Ob griechisch, serbisch, russisch – orthodox sei orthodox. Man unterscheide sich nur in der liturgischen Sprache. In St. Andrä ist die Umgangssprache deutsch. Zwei der zurzeit sechs Mönche, darunter der angehende Ziegenzüchter Arsenios, sprechen es mit griechischem Zungenschlag, Pater Igor, Student der Religionswissenschaft an der Uni Wien, tut das mit unüberhörbar wienerischem in serbischer Prägung, der Abt mit pfälzischem. Er heißt Paisios Jung.