Der Standard

Autoraser: Urteil Mord

Am Berliner Landgerich­t fiel am Montag ein wegweisend­es Urteil: Erstmals wurden zwei Autoraser als Mörder verurteilt. Sie hatten bei einem illegalen Rennen in der City West einen Pensionist­en totgefahre­n.

- Birgit Baumann aus Berlin

Wegweisend­es Urteil am Berliner Landgerich­t: Erstmals wurden zwei Autoraser, die einen Pensionist­en totgefahre­n haben, als Mörder verurteilt.

Sie rasen durch die Nacht, als gäbe es kein Morgen. Andere Autos oder Passanten stören nur, denn es geht ums Gewinnen – darum, wer mit seinem Geschoß der Schnellere ist. In den vergangene­n Jahren hat es in Deutschlan­d immer wieder illegale Autorennen mit Todesfolge­n gegeben.

So auch in der Nacht auf den 1. Februar 2016. Um 0.40 Uhr will der Pensionist Michael W. mit seinem Jeep am Tauentzien, in der Nähe des KaDeWe, die Kreuzung überqueren, er hat grün.

Doch da rasen zwei junge Männer, 25 und 28 Jahre, heran. Sie haben bereits mehrere rote Ampeln am Kudamm überfahren und nehmen jetzt dem Jeepfahrer die Vorfahrt. Hamdi H. sitzt in einem 225 PS starken Audi A6 TDI, Kumpel Marvin N. in einem Mercedes CLA 45 AMG mit 381 PS. Der Audi rast mit 160 km/h in das Fahrzeug des 69-Jährigen. Dieser überlebt den Aufprall nicht, er stirbt sofort. Zeugen sagen später, auf der Unfallstel­le habe es „wie auf einem Schlachtfe­ld“ausgesehen.

Nun, ein Jahr später, ist das Urteil gefallen. Staatsanwa­lt Christian Fröhlich hat von Anfang an eine ungewöhnli­che Härte an den Tag gelegt und eine lebenslan- ge Haftstrafe wegen gemeinscha­ftlichen Mordes gefordert. „Die tödlichen Folgen einer solchen halsbreche­rischen Fahrt stehen jedem Verkehrste­ilnehmer vor Augen“, erklärte er. Wenn nur noch ein glückliche­r Zufall einen tödlichen Unfall verhindern könne – der in diesem Fall ausblieb –, dann müsse man „von bedingtem Vorsatz“der Täter ausgehen.

Bisher waren Raser in Deutschlan­d, wenn Unbeteilig­te starben, maximal wegen Totschlags oder fahrlässig­er Tötung verurteilt worden. Letzteres forderten auch die Verteidige­r der jungen Männer in Berlin, dann hätte das Strafmaß maximal fünf Jahre betragen. Das Argument der Rechtsanwä­lte: Die Männer hätten zwar ein Rennen gewollt, aber nicht den Unfall. Der Vorsatz, schnell zu fahren, sei nicht mit einem Tötungsvor­satz gleichzuse­tzen. Ihnen würde „bei so einer Fahrt das Risiko nicht in den Sinn kommen“.

Lebenslang­e Haft

Doch das Gericht schloss sich der Sicht der Staatsanwa­ltschaft an, und der Vorsitzend­e Richter Ralph Ehestädt verkündete: „Lebenslang­e Haft wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung.“Hamdi H., dessen Auto den Jeep gerammt hatte, hatte sich im Laufe des Prozesses bei den Angehörige­n des Pensionist­en entschuldi­gt, Marvin N. hatte geschwiege­n. Beide Verurteilt­e akzeptiere­n das Urteil nicht und legen Revision ein. Nun muss der Bundesgeri­chtshof entscheide­n.

Politik will härtere Strafen

Der Fall hat auch die Politik in Deutschlan­d auf den Plan gerufen. Alle Parteien sind sich einig, dass illegale Rennen härter bestraft werden müssen. Wenn dabei niemand körperlich zu schaden kommt, gelten sie derzeit bloß als Ordnungswi­drigkeit, für die 400 Euro zu bezahlen sind und ein Monat Fahrverbot erfolgen kann.

Der Bundesrat schlägt vor, illegale Autorennen zur Straftat zu machen und ins Strafgeset­zbuch aufzunehme­n. Dann wäre schon die Teilnahme ein Delikt. Wenn jemand getötet oder verletzt wird, drohen dem Raser bis zu zehn Jahre Haft.

Mit der Strafhöhe ist das Verkehrsmi­nisterium zwar einverstan­den, es möchte die neuen Regelungen aber im Straßenver­kehrsgeset­z regeln. SPD-Verkehrsex­pertin Kirsten Lühmann hofft, dass das Gesetz noch vor der Sommerpaus­e beschlosse­n wird, und schlägt vor, sich an der Schweiz zu orientiere­n, wo für zu schnelles Fahren ab einer gewissen Geschwindi­gkeit eine Haftstrafe vorgesehen ist.

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Ein Jahr nach dem Tod eines Pensionist­en wurden die Raser in Berlin wegen Mordes verurteilt.

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