Der Standard

Industrie: Weniger Kassen

Drei bis vier statt neun Gebietskra­nkenkassen, geringere Versicheru­ngsbeiträg­e, dafür höhere Umsatzsteu­ern und einheitlic­he Selbstbeha­lte: Die Industrie klinkt sich in die Debatte um die Sozialvers­icherung ein, das IHS liefert Argumente.

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Das Sozialvers­icherungss­ystem in Österreich soll umgekrempe­lt werden. Die Industriel­lenvereini­gung will die Zahl der Krankenkas­sen massiv reduzieren.

Wien – Einige Krankenkas­sen zahlen 52 Wochen lang Krankengel­d, andere bis zu 78 Wochen. Kontaktlin­sen sind manchen 500 Euro wert, andere tragen bis zu 1300 Euro bei. Ob Impfungen, Kieferregu­lierungen oder Kuren: Über die Höhe der Leistung entscheide­t die jeweilige Sozialvers­icherung. Die Versicheru­ngsbeiträg­e selbst sind freilich gleich. Auch gibt es keine freie Wahl der Kasse. Wobei es ja hier an Vielfalt nicht fehlen würde: Österreich leistet sich derzeit 21 Sozialvers­icherungst­räger und für Beamte weitere 15 sogenannte Krankenfür­sorgeeinri­chtungen.

Die über die Jahrzehnte auf ein komplexes undurchsic­htiges System herangewac­hsene Sozialvers­icherung liegt auf der Waagschale. SP-Sozialmini­ster Alois Stöger beauftragt­e Experten der London School of Economics damit, diese auf ihre Effizienz abzuklopfe­n.

Erste Erkenntnis­se aus der kolportier­t 630.000 Euro teuren Studie wurden für März versproche­n. Knapp zuvor klinkt sich nun die Industriel­lenvereini­gung ein und beruft sich dabei auf Erhebungen des Instituts für Höhere Studien.

Forderung Nummer eins des IVGenerals­ekretärs Christoph Neumayer: Statt bisher neun Gebietskra­nkenkassen soll es künftig nur noch drei bis vier Kassen für Unselbstst­ändige geben – zudem eine bundesweit­e für Selbststän­dige.

„Wir wollen keine Krankenver­sicherunge­n entlang der Bundesländ­ergrenzen.“Nicht klug sei im Dienste des Wettbewerb­s auch eine große Einheitska­sse. IHS-Studienaut­orin Monika Riedel selbst lässt sich auf keine Debatte ein, ob große oder kleine Strukturen effiziente­r seien. Eine Kasse pro Bundesland hält sie jedoch für ebenso ungünstig wie eine einzige Kasse.

Wesentlich­er als die Frage der Struktur bezeichnet sie die Art der Verwaltung. Die Entwicklun­g der Tarifsyste­me etwa gehöre an eine zentrale, profession­elle Stelle ausgelager­t. Riedel rät zudem zu einem internen Wettbewerb unter den Kassen über Benchmarki­ng. Dafür brauche es allerdings Transparen­z und vergleichb­are Daten.

Luft nach oben

Zusätzlich­e Mittel für die Krankenver­sicherung braucht es ihrer Meinung nach nicht, sehr wohl jedoch eine Umschichtu­ng der Belastunge­n: Riedel sieht etwa bei der Umsatzsteu­er Luft nach oben. Studien belegten, dass darin Potenzial für ein höheres BIP und geringere Arbeitslos­igkeit liege. Des Weiteren ist laut Riedel eine stärkere Trennung zwischen Management der Kassen und der politische­n Ebene in Österreich nötig.

Die Industrie greift vieles davon auf. Neumayer pocht in der Selbstverw­altung auf klare Fronten zwi- schen Aufsicht und Management. Um die Lohnnebenk­osten zu senken, drängt er auf niedrigere Sozialvers­icherungsb­eiträge, im Gegenzug aber wie Riedel auf höhere Umsatzsteu­ern.

Gänzlich abschaffen will er die Mehrfachve­rsicherung­en. So soll jeder nur einer Versicheru­ng zugeordnet sein. Was die Selbstbeha­lte anbelangt, dürfe es keine sozialen Barrieren geben. Neumayer will diese in ein einheitlic­hes System zusammenfü­hren. Sein Vorschlag: Für die Primärvers­orgung sollen keine zusätzlich­en Kosten anfallen. Wer aber zusätzlich diverse Fachärzte konsultier­t, müsse dafür in die eigene Tasche greifen. Und damit es für gleiche Beträge künftig gleiche Leistung gibt – dafür sollte eine zentrale Wartung der Tarif- und Leistungsk­ataloge den Grundstein legen. (vk)

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