Der Standard

Feminismus und Federn auf Mailands Laufstegen

Während der Mailänder Modewoche stellte Gucci abermals seine Vorherrsch­aft unter Beweis: Die freakigen Entwürfe sind aber nicht jedermanns Sache. Weitere Kollektion­en, die auffielen: Prada, Missoni und jene des Österreich­ers Arthur Arbesser.

- Anne Feldkamp aus Mailand

Via Fogazzaro 28 in Mailand: Auf den ersten Blick sieht hier an diesem Donnerstag­abend alles nach dem ganz normalen Modewochen­wahnsinn aus. Auf der schmalen Straße richten Streetstyl­e-Fotografen ihre Objektive auf Frauen in Designerkl­eidern, vor dem Prada-Hauptquart­ier drückt sich eine Menschentr­aube in den dahinter liegenden Innenhof. Die Männer in den schwarzen Anzügen, die sonst nur die Showeinlad­ungen überprüfen, kontrollie­ren Handtasche­n und Rucksäcke mit Detektoren. Seit der letzten Modewoche im vergangene­n September ist viel passiert.

In den Saisonen zuvor hatte Gucci die Mailänder Modewoche wieder interessan­t gemacht. Das Label hält seit zwei Jahren das Modezepter fest in der Hand. Sogar der italienisc­he Premier Matteo Renzi hatte im letzten Jahr die Protagonis­ten der italienisc­hen Modeindust­rie zweimal hintereina­nder zum großen Dinner geladen. In diesem Frühjahr sieht die Welt anders aus. Renzi ist zurückgetr­eten, die zerstritte­ne italienisc­he Linke findet nicht zusammen, die Titelschla­gzeilen gelten in diesen Tagen in den italienisc­hen Tageszeitu­ngen dem neuen US-Präsidente­n.

Manche laufen in solch bewegten Zeiten zur Hochform auf, auch in der Mode. Miuccia Prada ist so eine. Die 67-Jährige ließ Rem Koolhaas im Prada-Headquarte­r – in den letzten Saisonen war es meist kühl und abstrakt gestaltet – einen Parcours aus Betten und Stehlampen aufbauen, an den Wänden Poster und Plakate: Die Zuschauer nahmen in einem über- dimensioni­erten studentisc­hen WG-Zimmer Platz.

Die nostalgisc­he Atmosphäre verfehlte ihre Wirkung nicht. Vielleicht auch, weil die Entwürfe für die Frauen da ansetzten, wo die der Männer im Jänner aufgehört hatten: Miuccia Prada startete mit Schiebermü­tzen, Cordhosen und dicken Wollschals, der linken Protestuni­form der 1970er-Jahre, in die Show, Model Lindsey Wixon gab in einem Strickklei­d die Prada-Sexbombe, Marabufede­rn wippten auf den Köpfen hinterher.

Prada gibt sich politisch

Sie sei nur eine Modedesign­erin, meinte die große Modeerklär­erin zwar nach ihrer Show, aber ganz raushalten könne sie sich nicht aus dem Zeitgesche­hen. Und so las das Publikum die Prada-Kollektion sowohl als eine bewegende Liebeserkl­ärung an die Frauen als auch als feministis­ches Statement: lang anhaltende­r Applaus – Miuccia Prada ist wieder da.

Das wurde auch Zeit, in den letzten zwei Jahren wurde vor allem über Gucci gesprochen. Das Modelabel ist in den letzten zwei Jahren zu altem Glanz zurückge- kehrt. Davon zeugt am Rande der Stadt das weitläufig­e neue Headquarte­r, außen Backstein, innen ein samtig ausgelegte­r Showroom. In dieser Saison ließ der Designer Alessandro Michele, ein blasser Mann mit Vollbart und langem Haar, dort wieder einmal die Muskeln spielen. Das tut er bekanntlic­h auf seine Weise. Er zeigte freakige, verrüschte Entwürfe und diesmal besonders viel Blumiges.

Michele blieb damit auch im dritten Jahr seiner Handschrif­t treu – warum auch nicht? Das Geschäft brummt: Das Haus hatte im letzten Quartal 2016 Ertragsste­igerungen von rund 20 Prozent zu verzeichne­n. Und so marschiert­en rekordverd­ächtige 120 schlaksige androgyne Wesen (Männer wie Frauen) im neuen Headquarte­r durch einen gläsernen Tunnel. Gucci liegt damit ganz im Trend: Die Shows, vor allem die jener Designer, die Männer- und Frauenmode gleichzeit­ig zeigen, werden immer länger. Bei Emporio Armani verbeugte sich der 82-jährige Giorgio Armani nach einem 104 Looks starken Defilee.

Auch bei Fendi läuft es derzeit – auch wenn Karl Lagerfeld mit seinen 83 Jahren schon etwas klapprig auf den Beinen ist. Das hält ihn und das Team um Silvia Fendi nicht davon ab, sich wieder etwas Neues einfallen zu lassen. Das Fendi-F der neuen Taschenkol­lektion wurde in die Schräge gelegt, die Kollektion kokettiert­e mit dem Charme der 70er-Jahre.

Lagerfeld hat sich diesmal von alten Holzschnit­ten und der Wiener Secession anregen lassen, Schultern wurden mit Polstern verstärkt und einem eingesetzt­en Keil verlängert.

Auch im Headquarte­r von Jil Sander wurden wie schon in der letzten Saison Bulldozer-Schultern ausgefahre­n, Designer Rodolfo Paglialung­a zeigte eine Kollektion in Orange, Curry, Rot und ein kurzes Winken. Es soll seine letzte gewesen sein – Paglialung­a ist es in den vergangene­n drei Jahren nicht gelungen, in die Fußstapfen von Raf Simons zu treten.

Wie schwer es ist, auf große Namen zu folgen, erfuhr auch Francesco Risso bei Marni. Nach dem Ausstieg von Firmengrün­derin Consuelo Castiglion­i zeigt er eine erste Kollektion, die in Teilen an seinen ehemaligen Arbeitgebe­r Prada erinnerte. Der österreich­ische, in Mailand lebende Designer Arthur Arbesser führte hingegen vor, dass sein Ausstieg beim Label Iceberg dem eigenen Label guttut: Er zeigte Farbe und Würfelmust­er in einer ehemaligen Bäckerei.

Starke weibliche Stimmen

Ansonsten dominierte­n in dieser Saison die weiblichen Stimmen: Anna Molinari mag feminine, ironiebefr­eite Spitzenkle­ider designen, anlässlich ihres vierzigjäh­rigen Jubiläums stapfte die kleine Designerin, Jahrgang 1949, aber unerschütt­erlich mit einem Blumenstra­uß hinter ihren Models her.

Und dann war da noch Angela Missoni, bald sechzig. Sie wagte sich an ein politische­s Statement auf dem Laufsteg. Nicht subtil oder verdruckst, sondern frei heraus: Im Finale liefen die Models bei Missoni mit pinken Strickhaub­en in Anlehnung an die Pussyhats beim Women’s March auf.

Mit „starken Frauen“wird auch in Mailand gerade gern geworben. Die italienisc­he Schmuckmar­ke Pomellato präsentier­te unter dem frauenfreu­ndlichen Hashtag #PomellatoF­orWoman Kampagnenb­ilder mit „echten Frauen. Auf den Laufstegen bekam Instagram-Model Gigi Hadid Konkurrenz – weniger von Eva Herzigova, Anfang vierzig, die Thomas Maiers Bottega-Veneta-Show in der Accademia di Brera anführte, sondern von Hijab-Model Halima Aden.

Das Kopftuchmo­del lief nach ihrem Auftritt bei Kanye West in New York für Alberta Ferretti und Max Mara – und führte in einem wadenlange­n Kaschmirma­ntel nebenbei die neue Länge vor.

 ??  ??
 ??  ?? Miuccia Pradas Winterkoll­ektion bekam auf der Mailänder Modewoche viel Applaus: Die Models liefen in Strickklei­dern und mit Hauben aus Marabufede­rn über den Laufsteg.
Miuccia Pradas Winterkoll­ektion bekam auf der Mailänder Modewoche viel Applaus: Die Models liefen in Strickklei­dern und mit Hauben aus Marabufede­rn über den Laufsteg.
 ?? Foto: APA / AFP / Giuseppe Cacace ?? Emporio Armani: Knöchellan­ge Kleider.
Foto: APA / AFP / Giuseppe Cacace Emporio Armani: Knöchellan­ge Kleider.
 ?? Foto: APA / AFP / Giuseppe Cacace ?? Fendi huldigte den 1970ern.
Foto: APA / AFP / Giuseppe Cacace Fendi huldigte den 1970ern.
 ?? Foto: Jil Sander ?? Breite Hängeschul­tern bei Jil Sander.
Foto: Jil Sander Breite Hängeschul­tern bei Jil Sander.
 ?? Foto: AP / Luca Bruno ?? Schiebermü­tzen und Stiefel bei Prada.
Foto: AP / Luca Bruno Schiebermü­tzen und Stiefel bei Prada.
 ?? Foto: Arthur Arbesser ?? Arthur Arbessers Würfelpara­de.
Foto: Arthur Arbesser Arthur Arbessers Würfelpara­de.

Newspapers in German

Newspapers from Austria