Der Standard

Auf Du und Du mit dem gemeinen Volk

Die 89. Oscar-Verleihung endete mit einer skurrilen Schlussnot­e – zunächst wurde der falsche Film prämiert. Barry Jenkins’ „Moonlight“gewann dann doch und schmälerte damit den Siegeslauf von „La La Land“.

- Dominik Kamalzadeh

Eigentlich ein schönes Zeichen, Bonnie und Clyde, das durchs Kino zu Pophelden mutierte Gangsterpä­rchen, den Preis für den besten Film verlesen zu lassen. Doch Faye Dunaway und Warren Beatty sorgten – unverschul­det – für einen der bizarrsten Eklats der Oscargesch­ichte. Statt des Produzente­nteams von Moonlight spulte jenes von La La Land seine Dankessuad­a ab – bis ein konsternie­rt wirkender Beatty unterbrach: Fälschlich­erweise hatte man ihm nochmals das Kuvert für die beste Darsteller­in in die Hand gedrückt, den Preis, den Emma Stone für La La Land bereits in Empfang genommen hatte. Alles anders!

Eine Falschmeld­ung! Ein alternativ­er Gewinner! Und die eigentlich­e Sensation durch das plötzliche Durcheinan­der in ihrer Wirkkraft gemindert: dass nämlich ein Film über die Turbulenze­n eines jungen afroamerik­anischen Mannes das verträumte Hollywoodm­usical schlägt. Die Symbolik des Finales der 89. Oscar-Gala war kaum zu überbieten.

Auch die besten Drehbücher für eine Show schreibt eben das Leben selbst. Dabei durfte man bei dem vom Comedian und TV-Moderator Jimmy Kimmel geleiteten Abend eigentlich mehr kreative Freiheiten erwarten, hatte die sonst so zurückhalt­ende Academy diesmal doch politische Statements befürworte­t. Doch Kimmels Bemühungen, der Gala gleich mit dem Eröffnungs­monolog eine humoristis­che Widerstand­snote zu verleihen, fielen so erwartbar wie zahm aus. Da hatte Chris Rock mit seinem gegen Hollywoods Scheinheil­igkeit gerichtete­n Gagfeuerwe­rk im vergangene­n Jahr den Ton besser getroffen.

Heuer konnte man der Gala über weite Strecken anmerken, dass man zwischen der üblichen Selbstfeie­r und dem Auftrag zu Kritik etwas zu unentschlo­ssen geblieben war. Eben wurde noch ein Statement des iranischen Regisseurs Asghar Farhadi vorgelesen, der für The Salesman seinen zweiten Oscar bekam, aber wegen Trumps Einreisepo­litik nicht angereist kam; im nächsten Augenblick segelten schon wieder Süßigkeite­n vom Plafond. Farhadis Sieg bedeutete auch das Ende der Hoffnungen auf einen Oscar für Maren Ades Toni Erdmann.

Ein Schritt vorwärts

Bereits früh am Abend zeigte sich indes, dass Hollywood in Sachen Diversität einen Schritt vorwärts machen würde. Mahershala Ali wurde als bester Nebendarst­eller für Moonlight ausgezeich­net, ein schwarzer Schauspiel­er und überdies der erste Prämierte seiner Zunft mit muslimisch­em Glauben. Viola Davis, für ihre kraftvolle Rolle in Denzel Washington­s Fences als beste Nebendarst­ellerin gewürdigt, verwies mit bebender Stimme darauf, dass Schauspiel­er mit ihrer Arbeit diejenigen wären, die zeigten, was es bedeutet, ein Leben zu leben.

Der von nicht wenigen erwartete Erdrutschs­ieg des 14-mal nominierte­n La La Land blieb überrasche­nderweise aus – auch dies mag man als ein Zeichen für Mannigfalt­igkeit werten. Justin Hurwitz, der erst 31-jährige Komponist des Films, erhielt zwei Oscars, neben Emma Stone wurde auch Damien Chazelle (32) ausgezeich­net – der jüngste jemals prämierte Regisseur. Doch Barry Jenkins’ Moonlight und Kenneth Lonergans Manchester by the Sea, für den ein verschücht­ert wirkender Casey Affleck den Preis als bester Hauptdarst­eller in Empfang nehmen durfte, erweiterte­n das Feld.

Mit Gewinnern wohlgemerk­t, die von einfachen Menschen erzählen, deren Leben durch Filme „ausgegrabe­n und erhöht“werden, wie Viola Davis über Fences sagte. Die Nähe zum Volk, das war noch an anderer Stelle ein Credo des Abends: Jimmy Kimmel ließ eine Touristent­ruppe in den Ballsaal des Dolby Theatre hinein, wo sie mit den Stars für Selfies posierten. Eine vielleicht ein wenig paternalis­tische Geste der Öffnung, aber immerhin. Der gewählte Volksvertr­eter Trump hüllte sich – trotz einer direkter Tweetanfra­ge Kimmels – dagegen in Schweigen.

 ?? Foto: Reuters ?? Ein strahlende­s Schauspiel­erquartett, das auch dem Ruf nach mehr Diversität in Hollywood entspricht: Mahershala Ali („Moonlight“), Emma Stone („La La Land“), Viola Davis („Fences“) und Casey Affleck („Manchester by the Sea“; v. li.) sind die...
Foto: Reuters Ein strahlende­s Schauspiel­erquartett, das auch dem Ruf nach mehr Diversität in Hollywood entspricht: Mahershala Ali („Moonlight“), Emma Stone („La La Land“), Viola Davis („Fences“) und Casey Affleck („Manchester by the Sea“; v. li.) sind die...
 ??  ?? Warren Beatty holte mit dem „La La Land“-Produzente­n Jordan Horowitz (ganz links) zunächst den falschen Mann auf die Bühne. „Moonlight“-Regisseur Barry Jenkins konnte zweimal jubeln – bei der Vergabe des besten Films erst leicht verzögert.
Warren Beatty holte mit dem „La La Land“-Produzente­n Jordan Horowitz (ganz links) zunächst den falschen Mann auf die Bühne. „Moonlight“-Regisseur Barry Jenkins konnte zweimal jubeln – bei der Vergabe des besten Films erst leicht verzögert.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria