Diskussion um Sterbehilfe in Italien neu entfacht
39-Jähriger, seit Unfall vom Hals abwärts gelähmt, fuhr zum Sterben in die Schweiz
Fabiano Antoniani – wegen seiner Passion für das Musikauflegen von seinen Freunden nur DJ Fabo genannt – begann seine letzte Reise am vergangenen Samstag: Begleitet vom Mitglied einer Stiftung, die sich in Italien für das Recht auf ein würdiges Sterben einsetzt, ist er in die Schweiz aufgebrochen, um in einem Hospiz der Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas seinem Leben ein Ende zu setzen. Montagvormittag hat er laut italienischen Medienberichten den einschlägigen Medikamentencocktail getrunken und ist um 11.40 Uhr gestorben.
Antoniani war am 13. Juni mit seinem Auto schwer verunglückt. Seither war er vom Hals abwärts gelähmt (Tetraplegie) und zudem erblindet. „Blockiert im Bett und umgeben von einer Nacht ohne Ende“, wie er es formulierte. Der Mailänder hatte nach dem Unfall lange gekämpft und gehofft, dass sich sein körperlicher Zustand wieder bessere. Er hatte es auch mit einer – in seinem Fall völlig nutzlosen – Stammzellentherapie versucht. Irgendwann wich die Hoffnung der Verzweiflung.
Seine Leidensgeschichte hat in Italien großes Aufsehen erregt, da sich der 39-Jährige nicht damit abfinden wollte, dass er sein Land verlassen musste, um sterben zu dürfen. In einer bewegenden Videobotschaft an Staatspräsident Sergio Mattarella hatte er im Januar gefordert, dass endlich ein Gesetz erlassen werde, das es Menschen wie ihm erlauben würde, in Italien freiwillig aus dem Leben scheiden zu können. „Signor Pre- sidente, ich möchte die Wahl haben, zu sterben, ohne zu leiden. Bitte helfen Sie mir, meinen Käfig zu verlassen“, sagte DJ Fabo in seiner Botschaft.
Italien tut sich seit Jahrzehnten schwer, die schwierigen Grenzfälle zwischen Leben und Tod gesetzlich zu regeln: Sowohl aktive Sterbehilfe wie Beihilfe zum Suizid sind verboten, zugleich fehlen verbindliche Normen zur passiven Sterbehilfe und zu Patientenverfügungen. Oft müssen Patienten oder ihre Angehörigen jahrelang prozessieren, um – vielleicht – eine richterliche Erlaubnis zu erhalten, das Beatmungsgerät auszuschalten oder die künstliche Ernährung einzustellen.
Bischof warnt vor „Gefahr“
Laut einer Studie des Forschungsinstituts Eurispes von 2016 wünschen sich im katholischen Italien inzwischen 60 Prozent der Bevölkerung ein Gesetz, das die passive Sterbehilfe und die Beihilfe zum Suizid legalisieren würde. Doch vor allem die Kirche und Rechtsparteien wie die Lega Nord widersetzen sich diesem Anliegen nach Kräften. „Mit einem solchen Gesetz laufen wir Gefahr, eine , Kultur des Wegwerfens‘ zu etablieren – aber kein Mensch darf zu Ausschuss werden“, betonte Erzbischof Vinzenzo Paglia, der Präsident der päpstlichen Akademie für das Leben, gestern einmal mehr im Corriere della Sera.
Im Parlament warten derzeit über ein Dutzend Vorlagen auf ihre Beratung. Möglicherweise kann die Diskussion schon im März beginnen. Aber angesichts tausender Abänderungsanträge ist abzusehen, dass sie das gleiche Schicksal erleiden wie frühere Versuche: Die Gesetzesvorschläge dürften in den Schubladen des Parlaments Staub ansetzen.
„Es ist eine Schande, dass kein Parlamentarier den Mut hat, sich für ein Gesetz einzusetzen, das Menschen gewidmet ist, die leiden und nicht in ihren eigenen vier Wänden sterben dürfen und deshalb in andere Länder gehen müssen“, sagte Antoniani in einer letzten Videobotschaft, die er kurz vor seiner Abreise in die Schweiz veröffentlichte. Seine Verlobte und seine Eltern wollte er in seiner letzten Stunde nicht bei sich haben: Sie hätten eine langjährige Haftstrafe riskiert.