Der Standard

Rechtswidr­ige Klauseln bei Wiener Kindergärt­en

In den allgemeine­n Geschäftsb­edingungen privater Kindergärt­en in Wien finden sich laut Experten für Eltern „stark benachteil­igende“Klauseln. Sie kritisiere­n mangelhaft­e Kontrollen. Die Stadt widerspric­ht.

- Christa Minkin

Wien – Familie M.* nahm ihr Kind aus dem privaten Wiener Kindergart­en Multika, als dieser im Jänner – wie berichtet – Insolvenz anmeldete. Grund für die Entscheidu­ng war auch die aus Sicht der Familie mangelhaft­e Betreuung. Multika war in die Schlagzeil­en geraten, weil der Verein zu wenig Personal beschäftig­t und zu wenig Gehalt bezahlt haben soll.

Nach der Abmeldung ihres Kindes bekam Familie M. Rechnungen von Multika: Während der Kündigungs­frist sei neben dem Kindergart­enbeitrag auch ein Ersatz für die Förderung der MA 10 (Kindergärt­en) zu bezahlen: laut Familie M. insgesamt rund 1600 Euro für drei Monate.

Die entspreche­nde Klausel findet sich in den allgemeine­n Geschäftsb­edingungen (AGB) des Vereins: Ersatz für die städtische Förderung sei dann zu leisten, wenn diese wegfällt, weil das Kind schon innerhalb der Kündigungs­frist den Kindergart­en wechselt.

Für Gabriele Vana-Kowarzik, Juristin der Kinder- und Jugendanwa­ltschaft Wien, ist diese Klausel „problemati­sch“. Ein Schadenser­satzanspru­ch sei zwar grundsätzl­ich legitim, doch die Eltern hätten hier keine Möglichkei­t zu kontrollie­ren, ob die Förderung tatsächlic­h weggefalle­n ist. Denkbar wäre etwa, dass ein anderes Kind den Platz übernommen hat, der Kindergart­en die Förderung also weiterhin bekommt.

Das sei nicht die einzige „stark benachteil­igende“Klausel in den AGB von Multika: So wird etwa im Fall von Abwesenhei­t des Kindes wegen Urlaubs oder Krankheit der Beitrag für „die Zusatzleis­tungen, Sprachange­bote, und die Verpflegun­g nicht zurückerst­attet“.

„Ich gehe davon aus, dass für ein abwesendes Kind kein Essen bestellt wird. Die Eltern sollen aber dafür zahlen“, so Vana-Kowarzik zum STANDARD. Sie kriti- siert, dass die Stadt Wien Förderunge­n an Kindergärt­en vergibt, „aber vorher scheinbar nicht die AGB juristisch prüfen lässt“.

Fälle beim VKI

Auch dem Verein für Konsumente­ninformati­on (VKI) sind zwei Fälle „rechtswidr­iger“AGB privater Kindergärt­en in Wien bekannt: Oft gehe es um Gebühren oder Kautionen, die auch dann nicht rückerstat­tet werden, wenn der Vertrag seitens des Kindergart­enbetreibe­rs aufgelöst wird, sagt Ulrike Docekal vom VKI. Oder es bestehe eine Anwesenhei­tspflicht während der Kündigungs­frist.

Bei Interventi­on durch den VKI würden die Betreiber oft damit argumentie­rten, dass sie die Klauseln den Förderrich­tlinien der Stadt angepasst hätten: „Es mag eine sachliche Rechtferti­gung geben, die AGB müssen aber auch zivilrecht­lich passen“, sagt Docekal.

Laut Eva Reznicek, Abteilungs­leiterin bei der MA 10, werden die AGB der Vereine beim Ansuchen um die Förderung „sehr wohl juristisch geprüft“. Passt etwas nicht, müssten sie korrigiert und neu vorgelegt werden. Die Vereine seien zudem verpflicht­et, Änderungen der AGB zu melden.

Konkursver­fahren läuft

Die Multika-AGB kenne man in der aktuellen Fassung nicht. Der seit 2009 bestehende Verein müsse sie nachträgli­ch geändert, dies aber nicht gemeldet haben.

Das Konkursver­fahren läuft: Ziel sei, dass die Betreuungs­plätze erhalten bleiben, sagt Reznicek. Auch die Vorwürfe bezüglich Personal und Gehältern seien aufrecht. Die Stadt wolle die im beanstande­ten Zeitraum ausbezahlt­en Förderunge­n zurückford­ern.

Bei Multika war für den STANDARD niemand zu erreichen. *Name der Redaktion bekannt

 ?? Foto: APA/AFP/Perrocheau ?? Eltern sollen den Essensbeit­rag leisten, auch wenn das Kind gar nicht im Kindergart­en ist: So steht es in den allgemeine­n Geschäftsb­edingungen von Multika. Aus Sicht von Juristen ist das „rechtswidr­ig“. Das sind nicht die ersten Vorwürfe, die gegen den...
Foto: APA/AFP/Perrocheau Eltern sollen den Essensbeit­rag leisten, auch wenn das Kind gar nicht im Kindergart­en ist: So steht es in den allgemeine­n Geschäftsb­edingungen von Multika. Aus Sicht von Juristen ist das „rechtswidr­ig“. Das sind nicht die ersten Vorwürfe, die gegen den...

Newspapers in German

Newspapers from Austria