Der Standard

Lieber Syrienkrie­g als Familie

Bregenzer Tschetsche­ne wegen Terrorismu­s verurteilt

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Feldkirch – In Syrien ließ sich der Bregenzer Tschetsche­ne Raybek A. „Jundullah“, Gotteskrie­ger, nennen. Im Schwurgeri­chtssaal Feldkirch saß der Kurzzeit-Jihadist als reuiger junger Mann, der am liebsten nie in Syrien gewesen wäre. Vorarlberg­s erster Prozess gegen einen mutmaßlich­en islamistis­chen Terroriste­n ging am Montag in fünf Stunden streng bewacht über die Bühne. A., der sich als vollkommen unpolitisc­h und wenig religiös darstellte, konnte den Schöffense­nat mit eloquent vorgetrage­ner Reue nicht gänzlich überzeugen. Er wurde zu 2,5 Jahren Haft (Höchststra­fe: zehn Jahre) wegen Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g und Verbrechen­s der Ausbildung zu terroristi­schen Zwecken verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Warum ging A. im Herbst 2013 nach Syrien? Weil er, 21-jährig, mit Schulden aus zwei gescheiter­ten Ehen und einem teuren Leasingaut­o dastand und vor lauter (familiärem) Druck nicht mehr aus noch ein wusste. Und da waren noch die Bilder im Internet. „Ich hab die Hilferufe der Menschen in Syrien gehört, ich wollte weg, um zu helfen.“Religiöse Gründe habe es dafür „ehrlich gesagt“keine gegeben.

Kontakte zu Salafisten in St. Pölten und Wien habe er nicht be- wusst gehabt, die waren nur zufällig, sagt der arbeitslos­e 27-Jährige, der gerade eine Gefängniss­trafe wegen Drogenhand­els abgesessen hat.

In Syrien habe er für die Freie Syrische Armee (FSA) gekämpft, behauptet A. Vielleicht auch für eine der vielen Untergrupp­en, er kenne sich da nicht so aus. Die vielen Gruppen seien für ihn verwirrend gewesen. Er habe für Ahrar al-Sham gekämpft, fällt ihm schließlic­h ein. Ganz sicher nicht für Junud al-Sham, wie ihm die Anklage vorwirft. Er habe nur viel Zeit mit tschetsche­nischen Mitglieder­n dieser Gruppe verbracht. Fotos von deren Anführer, einem Helden aus den Tschetsche­nienkriege­n, seien ebenfalls nur zufällig entstanden.

Das Gericht weist ihm schließlic­h nach, dass er für die Terrormili­z Junud al-Sham aktiv war. Pech für A.: Ein in München verurteilt­er Jihadist hatte ihn auf Fotos erkannt. Weiteres Pech: Auch Ahrar al-Sham wird als terroristi­sch eingestuft.

Richterin Sabrina Tagwercher, die den Prozess umsichtig und wertschätz­end führte, sprach in ihrer Urteilsbeg­ründung von Widersprüc­hen und Schutzbeha­uptungen. „Wer freiwillig im Kampf sein Leben riskiert, der weiß auch, für wen er das tut und für welche Ziele“, ließ sie A. wissen. (jub)

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