Der Standard

Wenn Tote und Untote tanzen

Statik und Bewegung: Kenneth Winkler adaptiert in Innsbruck Franz Kranewitte­rs „Totentanz“als Kammeroper.

- Bernhard Sandbichle­r

Innsbruck – Es ist schon ziemlich lange her, dass die Tiroler Volksschau­spiele aus der Taufe gehoben wurden – mit dem Franz-Kranewitte­r-Stück Die sieben Todsünden (1925).

Damals, im Sommer 1981, kam alles, was in- und außerhalb Tirols auf der Bühne Rang und Namen hatte, zur Haller Burg, die für eine Zwischensa­ison zum Theater wurde. Bert Breit komponiert­e Intermezzi, Moritaten, die Felix Mitterer gedichtet hatte und zum teuflische­n Violinspie­l Peter Lefors gesungen wurden. Kranewitte­r-lose Jahrzehnte später steht nun das den Todsünden- Zyklus beschließe­nde Nachspiel Totentanz auf dem Programm des Tiroler Landesthea­ters, nicht als Sprechthea­ter, sondern als Kammeroper adaptiert.

Hochmut, Trägheit, Völlerei, Neid, Geiz, Zorn und Wollust werden hier noch einmal in typischer Kranewitte­r-Manier durchdekli­niert: vulgär, egoman, tragisch.

Dumpfe Tierheit

Verkörpert werden sie von zwei angejahrte­n Punkprolet­en mit karnevales­ken Schnabelma­sken, Totengräbe­rin und Totengräbe­r, die eben die letzten Toten im pestverwes­ten Tirolerdor­f unter die Erde gebracht haben und nun „in dumpfe Tierheit versinken”, wie der Tod von Ferne kommentier­t. „Füllen mit Geld ihre Säckel. Dünken sich schwerreic­he Erben. Und müssen heute noch sterben!“, ätzt die Todin.

Dem makabren Pärchen, das Gera Graf im VampirStyl­ing auftreten lässt, sind in der Innsbrucke­r Adaptation zwei weitere Figuren hinzugesel­lt. Johannes Reitmeier, Intendant des Hauses, kontrastie­rt mit diesen Stimmen den kruden Kranewitte­r-Text: vier Gryphius-Sonette als Intermez- zi, das sanftmütig­e „Nun ruhen alle Wälder“von Paul Gerhard als Epilog. Der Tod ist auch hier Grundtenor, aber was für einer! Camilla Lehmeiers Mezzosopra­n und Joshua Lindsays Tenor verbreiten solistisch und im Duett dynamisch ausgewogen­e, melancholi­sch stilvolle Lyrizität.

Überall der Tod

Der junge Kenneth Winkler, der Dramen- und Gedichttex­te für die Reihe „Opera Austria“in Ton gesetzt hat, weitet das Gesangsspe­ktrum mit Todin (Susanne Langbein) und Tod (Florian Stern) bis zum Quartett aus, lässt unisono und polyfon singen. Dale Albright als Totengräbe­r und Susanna von der Burg als Totengräbe­rin komplettie­ren eine überzeugen­de Ensemblele­istung.

Alexander Kratzers Regie kombiniert lyrische Statik mit dramatisch­er Bewegung. Fünf Musiker auf der Bühne – E-Piano, Viola, Cello, Trompete, Posaune – ak- zentuieren Winklers elektronis­che Einspielun­gen und Gera Grafs melancholi­sche Bilder. Hansjörg Sofka, der den Mitglieder­n des Tiroler Ensembles für Neue Musik den Takt schlägt, wünscht man sich bisweilen als Live-Schlagzeug­er, derart rockig geht es passagenwe­ise zur Sache.

In Tirol, so lässt sich sagen, macht man mit dem Tod gewinnende Geschäfte (man denke an die Trauermärs­che der Musicbanda Franui oder die Totengräbe­r-Krimis Bernhard Aichners). Ende April geht das Sterben im Tiroler Landesthea­ter dann weiter, wenn der Innsbrucke­r Jedermann als Rockoper über die Bühne fegt – eine österreich­ische Erstauffüh­rung immerhin. Tiroler Landesthea­ter Innsbruck, nächste Vorstellun­gen: 1. und 16. März, jeweils 20.00 pwww. landesthea­ter.at

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Foto: APA / Rupert Larl Das Sterben geht weiter: Totengräbe­r (Dale Albright) und Totengräbe­rin (Susanna von der Burg) stehen einander im Innsbrucke­r „Totentanz“in einer Duellsitua­tion gegenüber.

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