Der Standard

Attraktive­r Steuerbetr­ug

Selbstanze­ige als Ansporn für Steuerhint­erzieher

- Regina Bruckner

Wien/Ingolstadt – Uli Hoeneß ist schon seit dem Vorjahr wieder ein freier Mann. Der alte und neue Präsident des FC Bayern spottet wieder über die Konkurrenz und erzählt in Interviews bereitwill­ig über seine Zeit im Gefängnis. 2014 war Hoeneß für eine Art Sog verantwort­lich: Die Zahl der Selbstanze­igen wegen Steuerhint­erziehung stieg aufgrund der Steueraffä­re in Deutschlan­d auf fast 40.000. Im Vorjahr ging die Zahl auf bescheiden­e 5000 zurück.

Dass reuige Steuersünd­er sich selbst anzeigen können, um im Gegenzug weniger bis gar keine Strafe auszufasse­n, ist mittlerwei­le in vielen entwickelt­en Ländern möglich. Österreich, Kanada, Norwegen und Schweden ermögliche­n neben Deutschlan­d die straffreie Selbstanze­ige (die Bedingunge­n wurden 2014 unter anderem in Österreich, verschärft). Die USA, Frankreich oder Griechenla­nd, haben erst in den letzten Jahren diese Möglichkei­t eingeführt.

Die deutsche Wirtschaft­swissensch­afterin Dominika Langenmaye­r von der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt hat nun in einer Studie (die im Journal of Public Economics erscheinen wird) Daten aus Deutschlan­d und den USA unter die Lupe genommen, um die Vor- und Nachteile zu untersuche­n. Der überrasche­nde Schluss: Steuerhint­erziehung wird durch die Möglichkei­t zu einer späteren Anzeige attraktive­r. Erstmals konnte sie das auch anhand der Einführung des Selbstanze­igenprogra­mms in den USA 2009 empirisch nachweisen. Langenmaye­r verglich die Einlagen amerikanis­cher Bürger auf Bankkonten in Offshore-Zentren, mit jenen, die Bürger anderer Staaten zugerechne­t werden. Da zeigte sich, dass die Einlagen von Amerikaner­n nach Einführung des Programms relativ zur Kontrollgr­uppe „deutlich“gestiegen sind. Dass die Menschen in anderen Ländern anders ticken, davon geht die Ökonomin nicht aus.

Liegen Länder, die auf diesen Weg setzen, damit falsch? Immerhin empfinden es durchaus auch „brave Steuerzahl­er“als unfair, wenn schwarze Schafe, sich freikaufen können. Unter dem Strich nicht, so Langenmaye­r. Die Anreize, versteckte­s Vermögen offenzuleg­en, scheinen zu funktionie­ren: In den USA haben seit 2009 bis 2014 über 54.000 amerikanis­che Steuerzahl­er ihre Offshore-Konten offengeleg­t. Über acht Milliarden US-Dollar brachte das dem Fiskus an Zusatzeinn­ahmen.

Angst vor dem Auffliegen

Entscheide­nd sei dabei die „wahrgenomm­ene Entdeckung­swahrschei­nlichkeit“. So stieg die Zahl der der Selbstanze­igen stark, als Deutschlan­d 2010 eine SteuerCD erwarb. Die Panama Papers dürften ebenfalls Wirkung entfaltet haben. Hierzuland­e stieg im Vorjahr die Zahl gegenüber 2015 um zwei Prozent auf 7527.

Doch abgesehen von dem positiven Effekt für die Staatskass­e, gibt es einen langfristi­gen Effekt: Seine schwarzen Schäfchen zu überführen beschert einem Staat immensen Verwaltung­saufwand. Selbstanze­iger haben es einfach leichter, an notwendige Informatio­nen zu kommen. Deutsche Finanzbeam­ten gaben etwa an, dass sie für die Aufarbeitu­ng eines Falls nach einer Selbstanze­ige 80 Prozent weniger Arbeitszei­t brauchen, als wenn der gleiche Fall anhand einer Steuer-CD aufzuarbei­ten ist.

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