Der Standard

Trennung statt Ehe

Die Londoner Börse zieht die Notbremse. Eine Auflage Brüssels wird nicht erfüllt, weshalb die Fusion mit der deutschen Börse scheitern dürfte.

- Sebastian Borger aus London

Die seit einem Jahr geplante und trotz des Brexit-Votums weiterverf­olgte Fusion der Börsen von Frankfurt und London steht vor dem Aus. Die London Stock Exchange (LSE) überrascht­e Anleger am Sonntagabe­nd mit der Mitteilung, man werde einer wichtigen Auflage der EU-Kommission nicht nachkommen. Deshalb sei „eine Freigabe des Mergers unwahrsche­inlich“. Die LSE-Aktie fiel am Montag um drei Prozent, jene der Deutschen Börse (DBAG) zeitweise sogar um über fünf Prozent.

In den letzten Wochen hatten sich auf beiden Seiten des Kanals zunehmend Kritiker der Fusion mit einem kombiniert­en Börsenwert von 29 Milliarden Euro zu Wort gemeldet. Zudem richtet sich gegen den designiert­en Chef Carsten Kengeter ein staatsanwa­ltliches Ermittlung­sverfahren wegen des Verdachts auf Insiderhan­del.

Der französisc­he LSE-Chef Xavier Rolet sowie DBAG-Boss Kengeter hatten sich ein Einsparpot­enzial von jährlich 450 Millionen Euro erhofft. In der neuen Holding TopCo sollten Aktionäre der deutschen Firma mit rund 54,4 Prozent die Überhand behalten. Kengeter sprach von einem „weltweit wettbewerb­sfähigen Anbieter“– tatsächlic­h wäre TopCo mit Aktienbewe­gungen im Wert von jährlich 5,2 Billionen Euro in mehr als 3200 Firmen stark genug, um Marktführe­rn wie der US-Börse Nasdaq oder der in Atlanta ansässigen ICE Konkurrenz zu machen.

Der Deal dürfte nun an der Weigerung der LSE scheitern, ihren Mehrheitsa­nteil an der italienisc­hen Bond-Handelsfir­ma MTS zu verkaufen, wie von Brüssel verlangt. Man fürchte negativen Einfluss auf das Italien-Geschäft, hieß es in London. Freilich hielten Marktbeoba­chter den Deal bereits seit dem Morgen des 24. Juni für gefährdet, als der zukünftige EUAustritt der Briten feststand.

Seither haben das Bundesland Hessen sowie die deutsche Finanzaufs­icht Bafin angemahnt, die Holding müsse nun doch in Frankfurt ansässig sein. Umgekehrt warnten konservati­ve EUGegner vergangene Woche im britischen Unterhaus vor einem Verkauf der London Stock Exchange, „einem unserer Kronjuwele­n“, wie die Abgeordnet­e Anne Morris mitteilte.

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