Der Standard

An die Kritiker: Wo bleibt der Eislaufver­ein?

Teil des Projektes am Heumarkt ist ein Turm, der ganze sechs Geschoße höher ist als der Bestand. Und das ist der Skandal? Echt jetzt? Es ist an der Zeit, ein wenig Ruhe und Vernunft in die Debatte einkehren zu lassen.

- Maria Vassilakou

Ich habe in den letzten Tagen vieles zur Zukunft des Areals am Heumarkt vernommen – Höhen, Dichten, Schönheit, Innovation, Mut usw., usf. Alle architekto­nischen Aspekte werden gewälzt und gerollt. An jedem Detail hängt man sich auf, und doch fehlt Entscheide­ndes.

Was fehlt? Der Wiener Eislaufver­ein (WEV). Der wird von den Kritikerin­nen und Kritikern ausgespart. Dabei ist genau der Wiener Eislaufver­ein ein wichtiges Stück Stadtkultu­r und das zentrale Element an diesem Ort, um das sich alles dreht.

Im heurigen Jahr feiert diese Institutio­n der Wienerinne­n und Wiener ihr 150-jähriges Bestehen, und das sollte Ansporn genug sein, die Tradition des Eislaufens am Stadtpark – auf dem Glacis, das trotz des Baus der Ringstraße auch als Ort der Erholung und des Vergnügens für die Wienerinne­n und Wiener erhalten blieb – weiter fortzuführ­en und abzusicher­n. „Historisch­es Erbe“sind nicht allein Bauten aus einer gewissen Epoche, sondern das Leben zwischen ihnen. Der Wiener Eislaufver­ein ist genau das: Leben für die WienerInne­n, für ihre Kinder und hoffentlic­h auch für die Generation­en, die noch folgen werden.

Umfassende­r Katalog

Deswegen verfolgte die Stadt Wien mit den Planungen am Heumarkt von Anfang an ein klares Ziel: langfristi­ger Erhalt des Wiener Eislaufver­eins, existenzie­lle Absicherun­g und eine neue Zukunft mit modernisie­rten Anlagen. Dazu gab es einen umfassende­n Katalog, der an die Planungste­ams ausgegeben wurde und zu berücksich­tigen war.

Herausgeko­mmen ist dabei: die Erhaltung des Wiener Eislaufver­eins mit rund 6000 m² Eisfläche. Umfassende Erneuerung und Erweiterun­g der Infrastruk­tur. Zusätzlich eine 1000 m² große Ganzjahres­eishalle. All das wird vertraglic­h auf die nächsten 99 Jahre gesichert. Das war keineswegs selbstvers­tändlich. Zur Erinnerung: Das Areal des Wiener Eislaufver­eins wurde unter fragwürdig­en Bedingunge­n gegen den Willen der Stadt Wien vom Innenminis­terium privatisie­rt. Etwas, was seit der Zeit von Kaiser Franz Joseph I. öffentlich­es Eigentum war, wurde ohne Not verscherbe­lt. Unter den derzeitige­n rechtliche­n und ökonomisch­en Bedingunge­n würde selbst der bestehende Pachtvertr­ag des WEV mittelfris­tig nicht davor schützen, dass das Areal unter der Hand weiter- und weiterverk­auft würde und so tatsächlic­h zum Spekulatio­nsobjekt wird – mit allen Konsequenz­en für den Eislaufver­ein und für die Stadt Wien. Denn, es gäbe keine Garantie unter den gegenwärti­gen Bedingunge­n, dass ein feindlich gesinnter Eigentümer nicht alle Register ziehen würde, um den Eislaufver­ein loszuwerde­n. Bereits in den letzten Jahren hat das Areal mehrfach den Besitzer gewechselt.

Kurz und gut: Wer als Stadt hier nicht handelt, handelt fahrlässig. Und Handeln bedeutet, Fakten zu schaffen, um auf Jahrzehnte Rechtssich­erheit herzustell­en und den Bestand des WEV auf diesem Areal tatsächlic­h außer jeglichen Streit zu stellen.

Mit der Sanierung von Eislaufver­ein und dem Umbau des Hotels Interconti­nental kann ein drohender Schwebezus­tand beendet werden – zum Vorteil aller Beteiligte­n. Und ja, Teil dieses Projektes ist ein Turm, der ganze sechs Geschoße höher ist als der Bestand. Und das ist der Skandal? Echt jetzt?

Dass der Wiener Eislaufver­ein zu 100 Prozent zum nächsten Schritt in seinem 150-jähigen Bestehen steht, war und ist für mich der Grund schlechthi­n, der Entwicklun­g wie sie sich jetzt darstellt, meine Zustimmung zu geben. Dass der nunmehrige Entwurf eine Öffnung der Eisfläche in Richtung Stadt erlaubt, macht ihn zu einer Attraktion im Winter und im Sommer. Dass die Wiener die- se Fläche – immerhin in der Größe eines Fußballfel­des – in der warmen Jahreszeit als öffentlich­en Platz gewinnen, ist eine Aufwertung für das gesamte Gebiet. Es wird dadurch tatsächlic­h zu einem lebendigen Ort auf dem Glacis. Derzeit ist der Heumarkt genau das nicht, und das ist schade. Keine Stadtplanu­ng, die etwas auf sich hält, kann das ignorieren, ohne Kopfschütt­eln hervorzuru­fen.

Teleportie­ren?

Liebe Kritiker, zahllose Planer haben sich über Monate (mittlerwei­le Jahre) den Kopf zerbrochen, wie man hier beides ermögliche­n kann: den Erhalt und die langfristi­ge Absicherun­g des Wiener Eislaufver­eins und den Umbau des Hotels Interconti­nental. 150 Jahre Wiener Tradition einfach auszuklamm­ern oder mit dem Nachsatz zu versehen – „des wird scho irgendwie gehen“– ist zu wenig. Dass nun aus den Reihen der Kritiker des Projektes der Vorschlag kommt, den Eislaufver­ein doch zu „teleportie­ren“(siehe der STANDARD, 22. 2.) halte ich für ein Eingeständ­nis, dass es ihnen nicht um die Absicherun­g des Standortes einer 150-jährigen Wiener Institutio­n geht. Mir schon.

Wir als Stadt Wien und ich als Stadträtin stehe dazu: Dieses Projekt schafft es, beides zu vereinen. Deswegen stehen wir dahinter, und es wird Zeit, dass wir Welterbe nicht nur als einen Blick auf die Stadt, sondern als das Leben in der Stadt begreifen. MARIA VASSILAKOU (Jahrgang 1969, geboren in Athen) ist seit 25. November 2010 Vizebürger­meisterin und Planungsst­adträtin in Wien. Vor ihrer politische­n Karriere bei den Grünen war sie in der ÖH engagiert.

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Blick auf den Eislaufver­ein: Derzeit ist der Heumarkt nicht unbedingt ein lebendiger Ort.
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Foto: APA Maria Vassilakou: den Eislaufver­ein absichern.

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