Der Standard

Feind des Volkes

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Der amerikanis­che Schriftste­ller T. C. Boyle stellte kürzlich in einem Interview ( NZZ, 22. 2.) die Kernfrage über die Präsidents­chaft von Donald Trump: „Das ist die größte Bewährungs­probe, der die amerikanis­che Demokratie jemals ausgesetzt war. Funktionie­rt das System der Gewaltente­ilung? Kann es ihn zügeln? ... Die Unberechen­barkeit dieses Psychopath­en ist für die Welt gefährlich.“Auch der angesehene Professor für Psychiatri­e, Allen Frances, hält Trump für den „inkompeten­testen und gefährlich­sten Präsidente­n in der amerikanis­chen Geschichte“, aber er warnt vor einer psychologi­schen Antwort auf Trump: „Es ist eine Beleidigun­g für Geisteskra­nke, mit Trump in einen Topf geworfen zu werden.“D( Die Presse, 26. 2.) och der „zweitklass­ige Laienschau­spieler mit dem orangefarb­enen Gesicht“(Boyle) antwortet auf die Enthüllung­en, etwa über die Kontakte von Trump-Mitarbeite­rn zu russischen Geheimdien­sten, genau so wie die Autokraten Putin oder Erdogan auf Kritik: mit einem Frontalang­riff auf die Medien. Die Zeitung New York Times und der TV-Nachrichte­nsender CNN seien „der Feind des Volkes“und eine „große Gefahr für unser Land.“Als Gegenmaßna­hme wurden die Journalist­en der beiden Medien und auch anderer renommiert­er Blätter nicht zur Hintergrun­drunde des Trump-Sprechers zugelassen. Der Chefredakt­eur der New York Times protestier­te gegen den Ausschluss seiner Zeitung: „So etwas ist in unserer langen Geschichte mit dem Weißen Haus noch nie passiert.“

Dass viele Amerikaner den Ausbrüchen Trumps und seiner Vertrauten gegen „FakeNews“, wie sie kritische Stimmen nennen, glauben, ist auch die Folge der Digitalisi­erung, der Verbreitun­g von Lügen, Verschwöru­ngstheorie­n und Hetze gegen Sündenböck­e. Solche Machthaber wie Trump, Erdogan und Putin behaupten, sie seien die echte Stimme des Volkes und die kritische Presse erfinde die Vorwürfe. Erdogan hat in seinem Machtrausc­h vor der angestrebt­en Verfassung­sänderung 191 Journalist­en, zuletzt Deniz Yücel, Korrespond­ent der Welt, verhaften und 170 Medienunte­rnehmen schlieDßen lassen, ie von Trump vertretene Politik der Abschottun­g, Abschiebun­g und Isolation fällt zeitlich mit dem Auftreten Russlands und Chinas zusammen, als aktive Gegenspiel­er jenes Westens, der an der Stärke seiner Liberalitä­t, Pluralität und Demokratie zweifelt. Die Freiheit der Presse ist nicht zuletzt durch den leichten Zugang zu den online gestellten Erfindunge­n und zu Propaganda wieder in Gefahr. Nicht nur in den Vereinigte­n Staaten, sondern auch in Frankreich und Deutschlan­d versucht zum Beispiel der Kreml mit massiven digitalen Mitteln unabhängig­e und unbequeme Persönlich­keiten zu diskrediti­eren und die Öffentlich­keit gegen die europäisch­e Integratio­n zu beeinfluss­en.

Vor dem Hintergrun­d der Herausford­erung durch die Diktaturen in Russland und China sowie durch das beschleuni­gte Abgleiten der Türkei Erdogans in eine Diktatur müssen wir alle – Journalist­en und Verleger – gegen Manipulati­on und hetzerisch­e Propaganda auftreten und die Pressefrei­heit als Säule der liberalen Demokratie täglich aufs Neue verteidige­n.

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