Der Standard

Härte schürt die Angst vor Fremden

Was die zu Beschluss stehende Ausländerr­echtsnovel­le unverhältn­ismäßig macht

- Irene Brickner

Bis zuletzt wurde verhandelt. Doch die Fremdenrec­htsnovelle, die heute, Dienstag, dem Ministerra­t vorliegt, sieht eine Reihe unverhältn­ismäßiger, menschen- und verfassung­srechtlich fragwürdig­er Neuerungen vor.

Um nur zwei davon zu nennen: Die geplanten Geldstrafe­n von bis zu 5000 Euro für Ausländer bei „Erschleich­ung“von Asyl oder eines anderen Aufenthalt­stitels und bis zu 15.000 Euro Strafe bei Verbleib oder Wiedereinr­eise trotz behördlich­er Rückkehren­tscheidung und Aufenthalt­sverbots drohen Menschen zu treffen, die großteils mittellos sind. Also werden viele von ihnen wohl in Ersatzhaft wandern.

Auch der dem Vernehmen nach mit der vorliegend­en Novelle geplante völlige Grundverso­rgungsentz­ug – sprich das Auf-die-Straße-Setzen – negativ beschieden­er Asylwerber und anderer Fremder, die keine Ausreisebe­mühungen an den Tag legen, hätte für die Betroffene­n große Härten zufolge. Laut der Stellungna­hme von Amnesty Internatio­nal im Begutachtu­ngsverfahr­en würden dadurch „humanitäre Notlagen geschaffen“. Die Allgemeinh­eit würde mit mehr sichtbaren obdachlose­n und bettelnden Nichtöster­reichern konfrontie­rt. amit spricht Amnesty einen wichtigen Punkt an – einen, der nicht nur besagte Einzelmaßn­ahme betrifft, sondern gleich mehrere Verschärfu­ngen, die im Rahmen dieser und anderer Fremdenrec­htspläne zur Diskussion stehen. Die Frage ist, inwieweit manche dieser strengen Regeln Fremde in Lagen bringen, in denen sie als Problemgru­ppe erst kenntlich erscheinen.

Inwieweit also solche Regelungen diese Ausländer stigmatisi­eren – weil sie sie zu Obdachlose­n und Bettlern machen. Oder auch zu Menschen, von denen ein größeres Risiko auszugehen schient, weil man sie einsperrt: Sollte die Bundesregi­erung in den kommenden Monaten etwa dem in ihrem Arbeitspro­gramm von Jänner entworfene­n Plan nähertrete­n, sogenannte Rückkehrze­ntren mit Haftcharak­ter einzuricht­en – sie würde den Bürgern damit genau dieses Signal aussenden.

Bisher hat man sich, was derlei Ausgrenzun­gsmaßnahme­n angeht, in Österreich in der Praxis eher zurückgeha­lten. Die oft martialisc­hen Ankündigun­gen aus Politikerm­und wurden

Dim Gesetzwerd­ungsprozes­s nach der Kritik von Experten und Zivilgesel­lschaft vielfach einigermaß­en zurechtges­tutzt.

Doch angesichts der Vielzahl einschlägi­ger Pläne in den vergangene­n Jahren nahm die Wirkkraft dieses Korrektivs zuletzt ab. Die Verschärfu­ng der Familienzu­sammenführ­ungsregeln mit der Novelle im Jahr 2016 etwa wurde gegen alle Warnungen von Experten durchgebox­t. Ihre Folge: vereinsamt­e und verzweifel­te ausländisc­he Mitbürger mit psychische­n und sozialen Problemen – prädestini­erte gesellscha­ftliche Außenseite­r.

Wohin eine Politik führen kann, die die fremdenrec­htliche Härteschra­ube immer weiter anzieht, kann grenznah im Nachbarlan­d Ungarn besichtigt werden. Dort ist inzwischen eine große Mehrheit der Bevölkerun­g davon überzeugt, dass von Ausländern – vor allem Flüchtling­en – immense Gefahren ausgehen. Ist der Stigmatisi­erungsproz­ess einmal so weit gediehen, erscheint eine Rückkehr zu einer faktenorie­ntierten und humanistis­chen Asyl- und Migrations­politik unmöglich. Dann ist der Kampf um die Köpfe für menschenre­chtsbewuss­te Demokraten bis auf weiteres verloren.

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