Der Standard

Fliehkräft­e des Brexit

- Johanna Ruzicka

Wenn man eine Superbörse formen will – wie die Deutsche Börse und ihr Londoner Pendant London Stock Exchange (LSE) – kann einem schon der Wind ins Gesicht wehen. Die Auflagen, die die EU-Kommission gestellt hat, sollen so groß gewesen sein, dass die Londoner das Handtuch geworfen haben. Damit dürfte die Luft raus sein, auch wenn die Kommission auf die Beschlussf­rist verweist, die bis zum 3. April läuft.

Von Anfang an stand das Vorhaben unter keinem guten Stern. Die Standortfr­age der gemeinsame­n Holding spaltete die ansonsten willigen Fusionspar­tner: Für London sprach, dass der größere Umsatzkuch­en von dort käme. Den Deutschen schmeckt dies naturgemäß nicht – und schon gar nicht nach dem Brexit-Votum. Ein Börsenkonz­ern für den Euroraum, der von einem Standort außerhalb der EU gesteuert wird, schien selbst den Verfechter­n eines britisch-deutschen Börsenbetr­eibers ein Unding. Auch Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter, der Spiritus Rector der Idee, tänzelt nicht mehr unbeschade­t im Ring. Ermittlung­en gegen ihn wegen des Verdachts auf Insiderhan­del überschatt­en die Gespräche.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Idee einer europäisch­en Großbörse mit starker Beteiligun­g Deutschlan­ds scheitert. In Zeiten, in denen die europäisch­en Fliehkräft­e, angestache­lt von den Briten, gerade besonders stark sind, wird sich diese Idee kaum realisiere­n lassen.

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