Der Standard

Trumps bittere Bilanz und der Alltag des Regierens

Bisher hat Donald Trump vor allem eines getan: eine Flut von Dekreten erlassen. Konkrete Lösungsvor­schläge für seine zahlreiche­n Verspreche­n im Wahlkampf hat er bisher kaum geliefert.

- Frank Herrmann aus Washington

Als sich der Präsident ans Rednerpult des Repräsenta­ntenhauses stellt, um zum ersten Mal nach seiner Wahl vor beiden Kammern des Kongresses zu reden, hat er bereits eine beachtlich­e Zwischenbi­lanz vorzuweise­n. Ein massives Konjunktur­programm ist verabschie­det, der 800-Milliarden-DollarVers­uch, die Folgen der Finanzkris­e abzufedern. Zudem hat das Weiße Haus die Weichen gestellt, um die siechen Autokonzer­ne General Motors und Chrysler vor dem Ruin zu retten. Dennoch verliert die Wirtschaft rund 700.000 Arbeitsplä­tze im Monat, was Trump mit einem trotzigen Appell an den landestypi­schen Optimismus beantworte­t. Die USA, sagt er, würden stärker sein als je zuvor.

Der Präsident hieß: Barack Obama – gewählt in einem Moment, in dem die schwerste Rezession der amerikanis­chen Nachkriegs­geschichte ihre volle Wirkung entfaltet. Acht Jahre später hat Donald Trump bei seiner Redenpremi­ere im Parlament eine – unterm Strich – deutlich bessere Wirtschaft­slage vorgefunde­n und eine deutlich bescheiden­ere erste Bilanz aufzuweise­n. Zwar hat er Entscheidu­ngen getroffen, die Wasser auf die Mühlen seiner Kernwähler sind – vom Austritt aus dem transpazif­ischen Freihandel­sabkommen TPP über schärfere Abschieber­egeln für illegal Eingewande­rte bis hin zu dem – vor Gericht gekippten – Einreiseve­rbot für Bürger aus sieben muslimisch geprägten Ländern. Von dem, was er im Wahlkampf versprach, um auch in der politische­n Mitte zu punkten, hat er dagegen so gut wie nichts angepackt.

Infrastruk­tur im Projektsta­tus

Vom wichtigste­n Vorhaben dieser Rubrik, einem großangele­gten Programm zur Modernisie­rung baufällige­r Brücken, schlagloch­übersäter Straßen und veralteter Flughäfen, ist nicht einmal ansatzweis­e etwas zu sehen. Eine Billion Dollar soll in einem finanziell­en Kraftakt in die marode Infrastruk­tur fließen; über den Ankündigun­gsstatus ist das Projekt allerdings noch nicht hinausgeko­mmen. Im Kongress, der als Kontrolleu­r der Finanzen grünes Licht geben muss, wird nicht einmal über Entwürfe diskutiert.

Ähnlich verhält es sich mit der Rücknahme der Gesundheit­sreform des Amtsvorgän­gers. „Obamacare“hat 20 Millionen bisher nicht versichert­e Amerikaner unter das Dach einer Krankenver­sicherung gebracht, zugleich aber nur wenig bewirkt, um die Kostenlawi­ne in Arztpraxen und Kliniken zu bremsen. Die Prämien steigen rasant, weshalb die Mittelschi­cht, die zur Kasse gebeten wird, allmählich den Glauben an den Sinn der Reform verliert.

Trumps großspurig­es Verspreche­n, das „Desaster“durch etwas „Wunderbare­s“zu ersetzen, erweist sich, wie prophezeit, als heiße Luft. Was er Anfang der Woche dazu zu sagen hatte, grenzt an einen Offenbarun­gseid: „Niemand wusste, dass das Gesundheit­swesen so komplizier­t sein würde.“Folgt man seiner Wahlkampfr­hetorik, soll kein Versichert­er schlechter­gestellt sein oder gar seine Krankenver­sicherung verlieren. Wie er das erreichen und zugleich die staatliche­n Zuschüsse so drastisch kürzen will, wie es die Republikan­er der Tea Party verlangen, bleibt einstweile­n sein Geheimnis.

Der Widerspruc­h zwischen lockeren Kampagnens­prüchen und dem mühsamen Alltag des Regierens: Dieser vor allem prägt die Startphase Trumps. Die Flut an Dekreten, die er erlassen hat, ist in den Augen der opposition­ellen Demokraten nur Aktionismu­s, das Vortäusche­n entschloss­enen Handelns, ohne dass die Substanz Schritt hielte mit der Pose. Und selbst mildere Kritiker sehen einen Zahlenjong­leur am Werk, dessen Rechnungen schlicht nicht aufzugehen scheinen.

Nach Trumps Plänen soll etwa der Verteidigu­ngsetat um 54 Milliarden Dollar (51 Milliarden Euro) steigen, was einem Plus von über neun Prozent entspricht. Im Gegenzug soll die Axt bei der Umweltbehö­rde EPA und bei der Auslandshi­lfe ansetzen. Für die EPA, deren Budget um ein Viertel gekürzt werden soll, weist der aktuelle Haushalt gerade mal acht Milliarden Dollar an Ausgaben aus. Amerikas Wirtschaft­s- und Militärhil­fe fürs Ausland – Hauptnutzn­ießer sind Israel, Ägypten, der Irak, Afghanista­n und Pakistan – schlägt mit 42 Milliarden Dollar zu Buche. Die Einsparung­en würden also nicht reichen, um die zusätzlich angepeilte­n Verteidigu­ngsausgabe­n zu decken. pAbgeordne­te stehen in ihren Wahlkreise­n Rede und Antwort. Video der Trumprede derStandar­d.at/USA

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Donald Trump ist nun bereits über einen Monat Herr in den Gängen des Weißen Hauses.

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