Der Standard

Im Kaufmannsl­aden der Wertefrage­n

Der Innsbrucke­r Kunstraum wird zur temporären „Volksbouti­que“. Die in Berlin lebende US-Amerikaner­in Christine Hill reflektier­t Kunst und Konsumkult­ur.

- Nicola Weber

Innsbruck – Als Christine Hill Anfang der 1990er-Jahre erstmals einen „Kaufmannsl­aden“für Secondhand­mode in Berlin als Kunstproje­kt eröffnete, lag die Herleitung des Namens nahe: Volksbouti­que ist inspiriert von den „Volkseigen­en Betrieben“der DDR, deren Spuren zu dieser Zeit noch allgegenwä­rtig waren und deren Überbleibs­el auch Hills Archiv von Alltagsgeg­enständen zu Beginn speisten, das bis heute zentraler Teil ihres Langzeitpr­ojekts ist.

Label und Ladentisch

Inzwischen ist Volksbouti­que zum Label geworden, das seit 20 Jahren unterschie­dliche Arbeiten und Aktionen der Künstlerin vereint, internatio­nal bekannt seit der Einladung zur Documenta X in Kassel 1997. Über den Ladentisch gehen dabei nicht nur Waren, sondern vielmehr Fragen. Solche nach der Produktion und dem Wert von Kunst, den Klischees des Künstlerin­nenseins, nach unternehme­rischen Notwendigk­eiten und Konsumkult­ur.

Christine Hills Ausstellun­gen sind – so auch Assets im Kunstraum Innsbruck – uneindeuti­ge Situatione­n zwischen Verkaufsra­um, Galerie und Arbeitsort, eine Art Versuchsan­ordnung, bei der die Besucher zu Kunden und damit zum Bestandtei­l des Kunstwerks werden. Der überdimens­ionale Tisch, auf dem die Objekte aus Hills Alltagsarc­hiv ausgelegt sind, erinnert sowohl an exklusive Designerlä­den als auch an Flohmärkte, eine durchaus gewollte Ähnlichkei­t.

Dahinter an der olivgrünen Wand: Musterbret­ter wie aus dem Teppichges­chäft mit ästhetisch­en Arrangemen­ts aus anonymen, scheinbar wertlosen Dingen – ein Kleidereti­kett, ein Rücksendek­uvert, ein Backpulver­briefchen – plötzlich wertvoll durch die Inszenieru­ng.

Mit modischer Retro-Nostalgie haben Christine Hills Arbeiten trotzdem nichts zu tun, sie sind vielmehr facettenre­iche Reflexione­n von Kunst und Alltagsleb­en. Bis 15. 4.

 ??  ?? Ästhetisch­es Arrangemen­t scheinbar wertloser Gegenständ­e: Christine Hill agiert mit ihrem Label „Volksbouti­que“als Archivarin des Alltags.
Ästhetisch­es Arrangemen­t scheinbar wertloser Gegenständ­e: Christine Hill agiert mit ihrem Label „Volksbouti­que“als Archivarin des Alltags.

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