Der Standard

Für einen Garten in Arizona

Die Turn- Olympiasie­gerin Olga Korbut hat fünf Medaillen verkauft, um sich einen Traum im Grünen zu verwirklic­hen

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Scottsdale – Viermal war sie Olympiasie­gerin im Turnen. Aber das Gold hat für Olga Korbut an Wert verloren. Die inzwischen 61-jährige Weißrussin hat längst andere Träume. Ziemlich gewöhnlich­e. „Ich möchte einen Garten anlegen und das Wetter genießen“, sagte Korbut. Diesen Traum kann sie sich nun verwirklic­hen. Mit dem Erlös aus dem Verkauf von fünf ihrer sechs Olympia-Medaillen.

175.000 Euro kamen auf der Auktion zusammen. Ein Garten ist da locker drin. Korbut lebt in Scottsdale, Arizona. „Das ist der richtige Ort, um sich langsam zurückzuzi­ehen“, sagt Korbut. Die Versteiger­ung der Medaillen sagt sie, sei „kein Notverkauf“gewesen. „Ich kann das Geld gut gebrauchen, war darauf aber nicht angewiesen.“

Bei den Spielen 1972 in München verzaubert­e die damals 17-jährige UdSSR-Athletin das Publikum. Im Mehrkampf wurde sie nach einem Sturz zwar nur Siebente, danach turnte sie aber zu Gold am Boden, am Schwebebal- ken und mit dem Team sowie zu Silber am Stufenbarr­en. Ihre unbekümmer­te Art schien der fröhliche Kontrast zu ihren Teamkolleg­innen zu sein, die wie programmie­rte Turnrobote­r ihre Programme abspulten. „Spatz von Grodno“wurde die 1,55 Meter große Athletin genannt. 1976 in Montreal gewann Korbut noch einmal Gold mit dem Team sowie Silber am Schwebebal­ken.

Aber hinter den Erfolgen steckte Schmerz und Pein. Ihr langjährig­er Trainer Renald Knisch habe Korbut, wie sie vor mehr als zehn Jahren erzählte, „als Sportmasch­ine und Sexsklavin“gehalten. Auch nach ihrer sportliche­n Karriere, die sie 1977 beendete, war Korbut nicht von Glück verfolgt. Zwei Ehen scheiterte­n, ihre Mutter starb 1994 infolge des Reaktorunf­alls von Tschernoby­l an Krebs. Ihr einziger Sohn saß zu Beginn des Jahrtausen­ds wegen Geldfälsch­erei für dreieinhal­b Jahre im Gefängnis.

1993 übersiedel­te sie in die USA. Ein Schritt, den sie nie be- reut hat. „Eigentlich war ich mit Weißrussla­nd sehr verwachsen, aber speziell in Minsk herrschte seinerzeit das Chaos. Überall waren nur Schmutz und Dreck, auf den Straßen lagen unzählige betrunkene Menschen.“

Mit einer privaten Turnschule verdiente sie lange Zeit gutes Geld. Erst als sie bei der Selektion der ihr zugeführte­n Talente wählerisch­er wurde, gingen die Einnahmen zurück. Aber die streng leistungss­portlich orientiert­e Korbut wollte sich nicht mehr verbiegen. „Wenn die Kinder nur turnen, damit sie ihre Eltern zufriedens­tellen, macht es für mich keinen Sinn.“

Und so nimmt sie seit ein paar Jahren nur noch temporäre Verpflicht­ungen für ihre Firma Olga Korbut Enterprise­s Inc. an. Aber die Auftragsbü­cher sind noch so voll, dass 45 Jahre nach München immer noch keine Zeit für eine Rückkehr nach München war – in die Olympiahal­le, in der sie einst vom Publikum so innig geliebt wurde. (sid, rie)

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Foto: AP / John Marshall Heute lebt Korbut in Scottsdale, Arizona. „Das ist der richtige Ort, um sich langsam zurückzuzi­ehen.“
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Foto: AP Photo File Der Schwebebal­ken lag Olga Korbut besonders gut. Olympische­s Gold und Silber holte sie auf diesem Gerät.

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