China liebäugelt mit Geburtenprämien
Nach dem Ende der Einkindpolitik steht China endgültig vor der Wende: Da es 2016 weniger Geburten als erwartet gab, erwägt Peking nun Förderungen für weitere Kinder, um ökonomische Nachteile abzuwenden.
Wien – Zu wenig und viel zu spät –so lautete die Kritik von Ökonomen wie Andy Xie,frü her AsienChef volkswirt vonMorg an St anley, im Oktober 2015 an dem damals angekündigten Ende der Einkind politik in China. Knapp eineinhalb Jahre später ist diese Erkenntnis offenbar auch der Regierung in Pekingge dämmert. Wohl hat das Zulassen eines zweiten Kindes pro Paar im Vorjahr die Anzahl der Geburten um 1,3 Millionen auf fast 17,9 Millionen erhöht. Allerdings ist dies viel zu wenig, um das selbstgesteckte Ziel von 17 Millionen zusätzlichen Kindern bis 2020 auch nur annähernd zu erreichen.
Nun soll Geld aus staatlichen Füllhörnernd er Bevölkerung zusätzlichen Nachwuchs schmackhaft machen, berichtet dieNa chrichten agenturBloom berg unter Berufung auf chinesische Medien. „Babyprämien und Fördermittel“stehen laut Wang Peian, Vize chef der staatlichen Gesundheits- und Familienplanungs kommission, zur Debatte. Denn die steigenden Kosten, um ein Kind im Reich der Mitte großzuziehen, halten seiner Ansicht nach noch viele Paare von einer zweiten Schwangerschaft ab.
Damit liegt er ganz auf einer Linie mit dem angesehenen Demografen Cai Fang, Vizepräsident der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften in Peking: „Die Politik erlaubt zwar jetzt ein zweites Kind, aber die meisten Leute, zumindest 50 Prozent, wollen gar kein weiteres Kind.“Neben finanzieller Unterstützung fordert er daher auch die Schaffung zusätz- licher Kindergärten, Schulen und Betreuungsplätze, um potenziellen Eltern zusätzliche Erleichterungen zu verschaffen.
Ohne diese Maßnahmen glaubt Cai nicht, dass die Fertilitätsrate, die im Vorjahr 1,05 Kinder pro Frau betrug, den angepeilten Wert von 1,6 erreichen werde – ganz zu schweigen von jenen 2,1 Kindern je Chinesin, die eine langfristig stabile Bevölkerungsentwicklung garantieren würden. „Eine Bevölkerungspolitik, welche die Leute zu mehr Geburten animieren soll, sollte ein ganzes Paket umfassen zusätzlich zu der Erlaubnis, zwei, drei oder sogar mehr Kinder zu bekommen.“
Nach fast vier Jahrzehnten Einkindpolitik droht bei den derzeitigen Geburtenraten Mitte des Jahrhunderts jeder dritte Chinese älter als 60 Jahre zu sein. Derzeit trifft dies zwar nur auf jeden siebenten zu, aber Cai wähnt das Reich der Mitte bereits jetzt an dem sogenannten Lewis-Wendepunkt, an dem sich der Überschuss an Arbeitskräften gänzlich aufgelöst hat. Als Folgen erwartet er eine höhere Inflation und steigende Löhne, was beides an der Wettbewerbsfähigkeit des Landes nagen würde (siehe unten).
Aber es gibt auch mahnende Stimmen wie Chen Xingdong, China-Chefökonom von BNP Paribas, der in Förderungen kein Allheilmittel sieht. In Singapur habe dies auch nur in geringem Ausmaß funktioniert, da Leute dazu tendieren würden, mit steigendem Wohlstand und Bildung weniger Kinder zu bekommen.