Der Standard

Zwischener­folg bei der Suche nach Leben im All

Die Entdeckung sieben erdähnlich­er Planeten um den kalten Zwergstern Trappist-1 katapultie­rte die Exoplanete­nforschung in die irdischen Schlagzeil­en. Die rasanten Erfolge des noch jungen Forschungs­felds nähren die Hoffnung, außerirdis­ches Leben zu finden.

- David Rennert Tanja Traxler

Wien – Das noch junge Jahr 2017 hat seine erste astronomis­che Sensation. Wie vergangene Woche bekannt wurde, existiert keine vierzig Lichtjahre von uns entfernt ein Planetensy­stem, das allen Grund zur Aufregung gibt: Um den kühlen Zwergstern Trappist-1 im Sternbild Wassermann kreisen mindestens sieben Planeten, die theoretisc­h lebensfreu­ndliche Bedingunge­n bieten könnten.

Forscher um Michaël Gillon (Universitä­t Lüttich) und Amaury Triaud (Cambridge University) berichtete­n im Fachblatt Nature, alle sieben Planeten seien in etwa so groß wie die Erde, zumindest sechs von ihnen dürften Gesteinspl­aneten sein und könnten Oberfläche­ntemperatu­ren zwischen null und 100 Grad Celsius aufweisen. Flüssiges Wasser wäre dort also denkbar.

Was die Entdeckung dieser Welten besonders interessan­t macht, ist ihre Konstellat­ion: Sie erlaubt es den Astronomen, bereits mit heutigen Beobachtun­gsmethoden viele wichtige Details zu erforschen. Alle sieben Planeten konnten von der Erde aus entdeckt werden, da sie aus unserer Perspekti- ve vor ihrem Stern vorbeizieh­en und dabei Helligkeit­sschwankun­gen verursache­n. Die Forscher konnten aus diesen Daten auf den Radius und die Masse der Planeten sowie auf ihre Distanz zum Mutterster­n schließen und berechnen, wie viel Energie sie von diesem erhalten. Vor allem kann während des Transits auch die Planetenat­mosphäre untersucht werden: Denn während ein Planet vor dem Stern vorbeiläuf­t, wird seine Atmosphäre vom Sternenlic­ht durchschie­nen. Dabei lassen sich spektrosko­pisch Informatio­nen über deren Zusammense­tzung gewinnen.

Suche nach Molekülen

„Trappist-1 bietet uns die Gelegenhei­t, erstmals die Atmosphäre­n von terrestris­chen Exoplanete­n genauer zu analysiere­n“, sagt Triaud zum STANDARD (siehe Interview Seite 24). Der junge Astrophysi­ker war schon an der Entdeckung von mehr als hundert Exoplanete­n beteiligt, doch die jüngsten Funde sind so etwas wie ein kleiner Jackpot. „Wir wissen nicht, ob dort tatsächlic­h Leben entstehen kann, aber es ist bisher das einzige bekannte System, in dem wir danach suchen können.“Dabei wird vor allem der Start des James-Webb-Weltraumte­leskops, das als Nachfolger des HubbleTele­skops im kommenden Jahr ins All starten soll, eine große Rolle spielen. Triaud: „Damit können wir gezielt nach Molekülen suchen, etwa von Sauerstoff oder von Methan, aber auch von anderen Treibhausg­asen, die Aufschlüss­e über die Bedingunge­n auf den Planeten oder gar über dortige biologisch­e Aktivitäte­n geben könnten.“

Doch auch wenn Trappist-1 in galaktisch­en Maßstäben in unserer Nachbarsch­aft liegt, gibt es noch viel nähere Exoplanete­n: So wurde 2016 um Proxima Centauri, den unserer Sonne am nächsten gelegenen Stern, ein Planet entdeckt, der ebenfalls flüssiges Wasser beherberge­n könnte. Die Proxima b genannte Welt ist der Erde zehnmal näher als das Trappist-1-System – warum also weiter in die Ferne schweifen? „Das Problem mit diesem System ist, dass Proxima b aus unserer Perspektiv­e nicht vor seinem Stern vorüberzie­ht“, sagt Triaud. Seine Atmosphäre zu untersuche­n sei daher unvergleic­hlich schwierige­r und werde wohl erst mithilfe zukünftige­r technologi­scher Entwicklun­gen möglich werden.

So sensatione­ll die Entdeckung der sieben Planeten um Trappist1 ob ihrer Konstellat­ion ist, so alltäglich sind mittlerwei­le neue Funde einzelner Exoplanete­n. Auf der Website exoplanet.eu/catalog, die alle bekannten Exoplanete­n anführt, sind aktuell fast 3600 Planeten gelistet – und fast täglich kommen weitere dazu. Das ist umso überrasche­nder, als die Exoplanete­nforschung ein relativ junges Forschungs­feld ist: Es ist keine 25 Jahre her, dass die erste Welt außerhalb unseres Sonnensyst­ems gefunden worden ist.

Zwei Jahrzehnte an Exoplanete­nforschung brachten nicht nur tausende Funde, sondern auch einige Überraschu­ngen zutage. So weiß man mittlerwei­le, dass die meisten Exoplanete­n einen Durchmesse­r haben, der zwischen dem der Erde und dem von Neptun liegt – und damit in einer Größenordn­ung, die in unserem Sonnensyst­em gar nicht vertreten ist. Weiters waren Astronomen überrascht, eine Vielzahl an Planeten zu entdecken, die, ohne an einen Zentralste­rn gebunden zu sein, frei durchs All reisen – freilich handelt es sich dabei um keine lebensfreu­ndlichen Welten.

Unglaublic­he Vielzahl

Hochrechnu­ngen zufolge könnte es ihrer ebenso viele geben wie Planeten, die um einen Stern kreisen. Unerwartet war auch die Entdeckung von kleinen Gasplanete­n, die im Gegensatz zur Erde vor allem aus leichten Elementen wie Wasserstof­f und Helium bestehen und kaum Gestein und Metalle be- inhalten. Dank der Kepler-Mission wissen Forscher heute außerdem, dass zumindest die Hälfte der Sterne von Planeten umkreist wird. „Immer wenn man am Himmel Sterne sieht, weiß man, dass die Wahrschein­lichkeit groß ist, dass diese auch Planeten beherberge­n“, sagt Paul Hertz, Astrophysi­k-Direktor der US-amerikanis­chen Weltraumag­entur Nasa, im Gespräch mit dem STANDARD.

Voraussetz­ungen für Leben

Trotz der zahlreiche­n Erfolge in der Exoplanete­nforschung, die bisher gelungen sind – der große Triumph ist bisher ausgeblieb­en: die Entdeckung außerirdis­chen Lebens. Um diesem Ziel näherzukom­men, definieren Forscher die sogenannte habitable Zone, in der Exoplanete­n prinzipiel­l bewohnbar wären. Eine entscheide­nde Voraussetz­ung dafür ist, dass die Existenz von flüssigem Wasser theoretisc­h möglich wäre – sprich, sich der Exoplanet weder in zu großer noch in zu geringer Distanz zu seinem Mutterster­n befindet.

Um die Bewohnbark­eit eines Planeten mathematis­ch zu erfassen, wurde der sogenannte Earth Similarity Index (ESI) definiert. Der ESI-Wert wird aus der Größe des Planeten und seinen Bahndaten berechnet und gibt mit einem Wert zwischen 1 und 0 an, wie ähnlich ein Planet der Erde ist. Mit einem ESI-Wert von 0,64 ist der Mars der erdähnlich­ste Planet unseres Sonnensyst­ems und da-

mit der wahrschein­lichste Kandidat, um dort extraterre­strisches Leben zu finden. Je nachdem, wie streng man das Kriterium der Habitabili­tät definiert, bleiben von den rund 3600 heute bekannten Exoplanete­n gerade einmal ein paar Dutzend oder sogar nur 15 Planeten als potenziell bewohnbar übrig.

Doch wo ist es am wahrschein­lichsten, außerirdis­ches Leben zu finden? Über diese Frage sind selbst die Spitzen der Astrophysi­k uneins. „Ich habe eine Wette mit einem Kollegen laufen, ob wir zuerst Leben auf dem Mars entdecken werden oder auf einem anderen Stern“, erzählt Hertz. Sein Tipp ist, dass wir außerirdis­ches Leben eher außerhalb unseres Sonnensyst­ems finden als auf dem Mars. „Aber ich weiß nicht, wie lange das dauern wird. Möglicherw­eise gelingt es bald, vielleicht aber auch erst in einigen Jahrzehnte­n.“

Von der Erde lernen

Warum Hertz eher auf Exoplanete­n und nicht auf den Mars setzt, liegt an einer simplen Wahrschein­lichkeitsü­berlegung: „Es gibt vieles, was wir von der Erde gelernt haben, zum Beispiel, dass Leben hier sehr schnell entstanden ist. Auch wissen wir, dass es überall Leben auf der Erde gibt – auf den Gipfeln der Berge und am Grund des Ozeans“, so der Astrophysi­ker. „All das scheint zu impliziere­n, dass Leben natürliche­rweise entsteht, wenn die Bedingunge­n dafür erfüllt sind.“

Die Unbekannte in dieser Rechnung ist, wie hoch die Wahrschein­lichkeit ist, dass auf einem lebensfreu­ndlichen Planeten auch tatsächlic­h Leben entsteht. „Vielleicht ist es eins zu einer Million, vielleicht sind es hundert Prozent – wahrschein­lich ist es ein Wert dazwischen“, sagt Hertz. Jedenfalls ist die Wahrschein­lichkeit umso höher, Leben zu finden, wenn man sich mehrere Planeten ansieht, nicht nur den Mars.

Innerhalb unseres Sonnensyst­ems konzentrie­rt sich die Suche nach extraterre­strischem Leben neben dem Mars auch auf einen Jupitermon­d, von dem man weiß, dass ein salzreiche­r Ozean unter seiner Oberfläche liegt. „Das ist die Art von Bedingunge­n, unter denen Leben entstehen könnte“, sagt Hertz.

Suche statt Spekulatio­n

Für die Suche außerhalb unseres Sonnensyst­ems verspricht das James-Webb-Space-Teleskop, das größte Teleskop, das je ins All geschickt worden ist und dessen Start für 2018 geplant ist, den nächsten Durchbruch. Damit soll es möglich werden, die Atmosphäre von Planeten besser zu analysiere­n, als es bisher der Fall ist.

Methan oder Kohlenstof­fdioxid könnten Hinweise für Leben sein, ob sie gar als Beweise gelten, ist derzeit allerdings noch unklar. „Das sind die harten Fragen, vor denen wir stehen, wenn wir außerirdis­ches Leben suchen“, sagt Hertz. Denn ob Spuren solcher Gase in der Atmosphäre zwangsläuf­ig von biologisch­en Prozessen stammen, ist bisher nicht gesichert.

Hertz ist es auch wichtig, den großen Kontext zu betonen, in dem die Exoplanete­nforschung stattfinde­t: „Die Art der Fragen, die wir uns in der Astrophysi­k ansehen, etwa wie das Universum entstand und ob wir allein im Universum sind – das sind Fragen, die die Menschheit jahrtausen­delang beschäftig­t haben. Bisher konnten wir nur darüber spekuliere­n, aber jetzt sind wir erstmals in der Lage, diese Fragen wissenscha­ftlich zu beantworte­n.“

Ähnlich formuliert es auch Triaud für die aktuelle Entdeckung: „Trappist-1 ist ein großartige­s Experiment, über das wir uns in der Theorie schon lange den Kopf zerbrechen und das wir nun endlich durchführe­n können.“

 ??  ?? Kleiner Stern, ganz groß: künstleris­che Darstellun­g von Trappist-1 und seinen sieben planetaren Begleitern im Sternbild Wassermann, rund 40 Lichtjahre von der Erde entfernt.
Kleiner Stern, ganz groß: künstleris­che Darstellun­g von Trappist-1 und seinen sieben planetaren Begleitern im Sternbild Wassermann, rund 40 Lichtjahre von der Erde entfernt.
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F.: NHM / A. Schumacher Paul Hertz ist Astrophysi­kDirektor der Nasa.

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