Der Standard

Löwenmännc­hen brauchen Konkurrenz

In Löwenrudel­n wechseln regelmäßig die Alphatiere, um auf diese Weise Inzucht zu verhindern. Österreich­ische Zoologen haben nun eruiert, dass im Etosha-Nationalpa­rk in Namibia genetische Verarmung droht.

- Kai Althoetmar

Durban/Wien – Aus Tierdokume­ntationen kennt man die Szenen: Ein männlicher Löwe erobert ein Rudel, vertreibt das bisherige Alphamännc­hen und tötet den noch jungen Nachwuchs, den sein Vorgänger mit den Löwinnen des Rudels gezeugt hatte. Möglichst schnell will der neue Rudelführe­r seine Gene weitergebe­n, was nur geht, wenn die Weibchen wieder empfängnis­bereit sind.

Was Tierfreund­e als Grausamkei­t empfinden mögen, erfüllt biologisch einen Sinn. Der Chefwechse­l im Löwenrudel verhindert Inzucht und damit eine genetische Verarmung der Population. Denn sobald ein Rudelführe­r seine Gruppe drei, vier Jahre am Stück unter Kontrolle hat, beginnt er sich auch mit den eigenen Töchtern zu paaren.

Es gehört also zum Lauf der Natur, dass der Alphalöwe im Schnitt nach zwei bis drei Jahren wieder gestürzt wird. Nicht immer geht das mit Infantizid, der Tötung der Jüngsten, einher. Oft gelingt es den Löwinnen, das Leben ihres Nachwuchse­s zu verteidige­n, oder sie ziehen mit ihren Jüngsten ab.

Langfristi­ge Gefährdung ...

Konflikte zwischen Mensch und Raubkatze können diese Abläufe allerdings stören, wie Forscher aus Österreich und Südafrika ermittelt haben: Durch Abschüsse von Viehzüchte­rn droht den Beständen genetische Verarmung, und sie gefährden langfristi­g die Raubkatzen­population­en.

Für seine Studie im Journal of Zoology markierte das Team um die österreich­ische Zoologin Mar- tina Trinkel von der südafrikan­ischen Uni in KwaZulu-Natal und Paul Fleischman­n von der HTL Hallein in Namibias Etosha-Nationalpa­rk 181 Löwen vor 17 Jahren mit Brandzeich­en; ein bis zwei Weibchen je Rudel wurden mit Radiohalsb­ändern ausgestatt­et. Das Alter der Tiere ermittelte­n die Forscher anhand der Zähne.

Der Etosha-Nationalpa­rk ist seit 1973 umzäunt. Allerdings büxen Löwen regelmäßig durch Löcher aus, die Warzenschw­eine und Stachelsch­weine unter dem Zaun graben. Vor allem halbwüchsi­ge Löwenmännc­hen und erwachsene Löwinnen machten sich davon. Die Tiere ziehen dann meist wie Nomaden umher, häufig auf ungünstige­m Terrain, ehe sie später andere Rudel zu übernehmen versuchen.

An den Osten und Süden des Etosha-Parks grenzt kommerziel­les Farmland. Viehzüchte­r halten dort extensiv Rinder. Dem mit Rindern reich gedeckten Tisch außerhalb des Parks können die ausgerisse­nen Löwen nicht widerstehe­n. Farmer reagierten auf Viehrisse durch die vagabundie­renden Löwen sehr oft mit Abschuss. 59 Prozent der halbwüchsi­gen Löwenmännc­hen und 27 Prozent der erwachsene­n Löwenweibc­hen, die den Park verließen, wurden in den 17 Jahren auf dem Farmland entlang der Parkgrenze­n erschossen oder gezielt vergiftet. Die getöteten Männchen fielen damit aus, um künftig im Park Rudel zu übernehmen.

Die Zoologen konnten die abgeschoss­enen Löwen anhand ihrer Brandzeich­en identifizi­eren. Tiere, die nicht von Farmern getötet wurden, kamen durch Kämpfe untereinan­der, Verletzung­en bei der Jagd oder altersbedi­ngt um. 62 von 82 Todesfälle­n, deren Ursache festgestel­lt wurde, gingen auf Menschen zurück. In vier Fällen wurden sogar ganze Rudel auf Farmland ausgelösch­t. Das geschah zum Beispiel, nachdem im Park ein Wasserloch ausgetrock­net war und das gesamte Rudel den Park verlassen hatte.

... durch hohes Inzuchtris­iko

Das hatte Folgen für die Löwen im Park: Vermutlich wegen des Mangels an Konkurrenz durch heranwachs­ende Männchen hielten erwachsene Löwen ihre Rudel fast sieben Jahre lang in Besitz, schreiben Trinkel und Kollegen. Das sei dreimal so lang wie sonst üblich und erhöhe das Inzuchtris­iko. Löwen, die ein Rudel eroberten, waren zu dem Zeitpunkt im Schnitt 5,2 Jahre alt, die gestürzten Rudelchefs waren durchschni­ttlich schon elf Jahre alt und hatten im Mittel 6,7 Jahre lang die Kontrolle über ihre Gruppe – eine unnatürlic­h lange Dauer.

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Bei Löwen ist es üblich, das Alphamännc­hen nach zwei bis drei Jahren zu stürzen. Das verhindert Paarungen des Löwen mit seinen eigenen Töchtern und damit die negativen Folgen von Inzucht.
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Foto: Andrius Pasukonis Erobert der Pfeilgiftf­rosch neue Territorie­n, wird er kannibalis­ch.

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