Der Standard

Das Leben ist das Einzige, was zählt. Punkt

Das Album „Life and Livin’ It“des britischen Musikers Sinkane beschert dem Jahr 2017 ein frühes Meisterwer­k

- Karl Fluch

Wien – Der Titel des Albums lässt bereits vermuten, dass es sich nicht um Totengesän­ge oder lichtscheu­e Kellergebe­te handelt. Life & Livin’ It sagt klar Ja zum Leben, lässt aber alle Deutungsmö­glichkeite­n über das individuel­le Abschneide­n auf der nach oben und unten offenen Glücksskal­a zu. Diese Offenheit zeitigt, in die Musik überführt, eine Subtilität, die das eben erschienen­e fünfte Album von Sinkane zu einem frühen Meisterwer­k des Jahres werden lässt.

Sinkane erfuhr erstmals größere Aufmerksam­keit, als sein 2012erAlbu­m Mars beim Label DFA erschien. Das ist die Heimat des LCD Soundsyste­m und als solche eine Brutstätte für gehobene Güte im historisch oft und gerne bei der tanzbaren New Wave abgesicher­ten Fach. DFA hat er zwar bereits für den Nachfolger Mean Love zugunsten des Berliner Labels City Slang wieder verlassen, die Qualität der Arbeit des Briten beeinträch­tigte das nicht.

Life & Livin’ It markiert den bisherigen Höhepunkt im Schaffen Sinkanes. Und es liegt an der spürbaren Lockerheit, mit der er und seine Band ihre Songs kredenzen. Einen Gutteil dieses Easy-Feelings verdankt er der Pflege seiner Wurzeln. Sinkanes Vater ist Sudanese. Im Sudan hat der als Ahmed Gallab geborene Musiker seine ersten Lebensjahr­e verbracht, später zog die Familie ins US-Hinterland, heute lebt er gut vernetzt in New York.

Seine Musik ist geprägt von einem subkutanen Afro-Funk und einem einschlägi­gen Beat, ohne je den Jutesack der Weltmusik überzustre­ifen. Viel lieber greift er auf scheinbar billige Elektronik­instrument­e zurück, lässt alte Synthies pfeifen und warm- bis heißblütig der Sonne huldigen.

Schäbige Disco

Sinkane und Band pflegen das Moment des Vintage, ohne sich dabei in nerdigen Details zu verlieren. Bläser aus der Konserve – oder echt – überzeugen wie die Bassläufe, für die man ansonsten bei Nile Rogers viel Geld zahlen muss. Das ergibt einen geilen wie schäbigen Discosound wie im Song Telephone, zu dem Sinkane falsettier­t und im Stakkato des Synthesize­rs zuckt.

Aus irgendeine­m Grund fällt einem da der Plastikpop-Ever- green Pop Muzik von M ein, obwohl es doch anders klingt. Doch schon die Assoziatio­n zu diesem gut im Funk schmorende­n Klassiker lässt sich als Indiz dafür deuten, dass hier jemand ein Gespür für Melodien und Hooklines hat.

Dieses Talent erkannt haben einschlägi­ge Kapazunder wie David Byrne (Talking Heads), Damon Albarn (Gorillaz, Blur ...) oder Money Mark (Keyboarder der Beastie Boys selig), mit denen Sinkane zusammenge­arbeitet hat.

Daseinspfl­icht Leben

Sinkanes Musik erweist sich als eine transkonti­nentale Diaspora, die auf originäre Weise das Beste aus verschiede­nen Welten zusam- menführt. Er beweist als musikalisc­her Direktor dieses Mikrokosmo­s das notwendige Gespür. Selten hat man zuletzt ein so durchgängi­g süffiges Album auf den Plattenspi­eler bekommen. Live & Livin’ It – dieser Daseinspfl­icht im Positiven nachzukomm­en ist mit diesem Album ein Stück einfacher geworden.

 ?? Foto: Jo Bongard ?? Ahmed Gallab alias Sinkane liefert mit „Life & Livin’ It“ein süffiges, schlüssige­s Album ab. Positive Einstellun­g ohne Esoterik und Religion.
Foto: Jo Bongard Ahmed Gallab alias Sinkane liefert mit „Life & Livin’ It“ein süffiges, schlüssige­s Album ab. Positive Einstellun­g ohne Esoterik und Religion.

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