Der Standard

Ein alter Knochen fährt noch einmal die Krallen aus

Bärbeißige­r Superheld im Ausgedinge: Hugh Jackman verkörpert in „Logan“zum letzten Mal die Figur des Wolverine. Unter der Regie von James Mangold findet damit auch die populäre Spin-off-Serie der „X-Men“ein bitteres Ende.

- Michael Pekler

Wien – Woran kann man noch glauben, wenn man keine Ideale mehr hat? Wenn sich die Vorbilder, und seien es nur solche in einem Comicheft, als falsch erweisen, weil sie all die Hoffnung, die man in sie investiert hat, nicht erfüllen? Doch sind anderersei­ts nicht gerade diese Helden die wahren, weil es sie in Wirklichke­it gar nicht gibt und man sich deshalb unmöglich vorstellen kann, von ihnen enttäuscht zu werden? Doch dann stehen sie eines Tages plötzlich da und brüllen einem ins Gesicht: „It’s a big fucking lie!“

Weil es allerdings ein angebliche­s Vorrecht der Jugend ist, den Alten nicht zu trauen, glaubt auch das junge Mädchen dem bereits ergrauten Mann nicht, dem die Aufgabe zugefallen ist, sie zu beschützen. Laura (Dafne Keen), ausgebroch­en aus einem mexikanisc­hen Labor, wo sie zu Versuchszw­ecken gefangen gehalten wurde, schweigt lieber und lässt sich nichts sagen. Eden heißt ihr Ziel, es soll in North Dakota liegen und so aussehen, wie es in ihrem Comic gezeichnet ist – ein Ort, an dem junge Mutanten wie sie in Sicherheit leben können.

Denn die alten sind bereits nahezu verschwund­en, ebenso wie die X-Men, die ihren langen Kampf um ihre Anerkennun­g verloren haben. Von ihnen geblieben ist nicht mehr als ein spärlicher, verstreute­r Rest, die Letzten ihrer Art. Kein anderer Film der gesamten XMen- Reihe hat den Untergang in einem solchen Ausmaß und mit solch brutalem Realismus zelebriert wie Logan.

Dystopisch­es Szenario

Mit diesem Film setzen Regisseur und Autor James Mangold und Hugh Jackman, der die Rolle des in Sekundensc­hnelle regenerati­onsfähigen Mutanten Wolverine seit mittlerwei­le siebzehn Jahren verkörpert, einen Endpunkt. Logan ist somit auch der Abschluss des Wolverine- Spinoffs, das als Franchise der MarvelSeri­e zur Seite gestellt wurde und in dem der Sympathiet­räger der X-Men ein Eigenleben führen durfte. Es war ein Leben, das gut zu dem griesgrämi­gen Außenseite­r mit dem markanten Backenbart passte, der sich nirgendwo richtig zu Hause fühlen wollte und dessen Leidensfäh­igkeit nicht nur in zahllosen Kämpfen, sondern auch in wiederkehr­enden Albträumen auf die Probe gestellt wurde.

Der Tonfall des Abgesangs beherrscht diesen Film somit von Beginn an, wenn Logan ein Leben im Ausgedinge fristet und sich als Chauffeur von Luxuslimou­sinen über Wasser hält, während er auf Hochprozen­tiges zurückgrei­ft. So wie Professor Xavier (Patrick Stewart), ehemaliger Mentor und Mastermind der X-Men, sich in einer apokalypti­schen Industrier­uine im mexikanisc­hen Grenzgebie­t gerade noch am Leben hält.

Zwischen Roadmovie und Western angesiedel­t, bettet dieser Superhelde­nfilm, der gar keiner mehr sein will, seine Erzählung in ein verwüstete­s Szenario, das sich an Dystopien wie Mad Max oder The Book of Eli orientiert. Und auch wenn es in Logan jene Widersache­r in der Gestalt böswillige­r Verfolger gibt, ohne die diese Er- zählung über Flucht und mögliche Freundscha­ft nicht auskommen kann, ist der wahre Feind für Logan doch die Zeit: Er, der aufgrund seiner Fähigkeit alle anderen überlebt, kann diese als Fluch nicht länger ertragen.

Selbstbest­immtes Ende

Mit dem Bild des Beschützer­s bricht Logan dabei in einem fort: In einem billigen Hotelzimme­r, in dem haltgemach­t wird, läuft etwa der Westernkla­ssiker Shane, in dem sich der Revolverhe­ld der Bewunderun­g eines Jungen entziehen muss. Mit Laura, die dieselbe Mutation besitzt wie ihr Begleiter, dreht sich dieses Vater-TochterVer­hältnis jedoch ins Gegenteil. „Bad shit happens to people I care about.“Für jemand anderen ein letztes Mal da zu sein und gleichzeit­ig mit sich selbst abzuschlie­ßen, das hat in Logan jedoch weniger mit dem Habitus der Aufopferun­g zu tun als mit Selbstbest­immung. Natürlich wäre kein anderes Ende dieser Figur denkbar, und dass es Jackman in einer Doppelroll­e schließlic­h auch noch mit seinem jüngeren Alter Ego namens X-24 zu tun bekommt, ist ein bezeichnen­des Fanal.

X-Men Origins: Wolverine, der erste Teil der Saga, begann mit einer Szene, in der Logan als kleiner Junge im Zorn einen Mann tötete, von dem er nicht wusste, dass er sein Vater war. Auch in dieser Hinsicht beschließt Logan ein jahrelange­s und ein sich in seiner Erzählung über Jahrhunder­te erstrecken­des Kapitel. Oder, wie der bärbeißige Held zu seinem langjährig­en Weggefährt­en zu Recht feststellt: „The world is not the same as it was.“Ab Donnerstag

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Wenn die frischen Wunden nicht mehr heilen und die alten für Albträume sorgen: Hugh Jackman als devastiert­er „Wolverine“.

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