Der Standard

Rassismusk­eule und Beleidigun­g der Situation

Sozialpäda­gogin Elif Yilmaz, 1969 in Oberösterr­eich geboren, trägt seit zwei Jahren ein Kopftuch. In ihrem Text vom 25. Februar hat sie hier auf die kränkenden Aspekte der hierzuland­e geführten Debatte hingewiese­n. Standard- Leser antworten.

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Penetrant rechtgläub­ig

Es geht Frau Yilmaz um Ehre und Stolz – es gibt viele Religionsg­emeinschaf­ten in Österreich, aber keine behauptet so penetrant, „rechtgläub­ig“zu sein, und alle anderen sind daher „Ungläubige“. Dieses hässliche Wort „unrein“auf Menschen angewendet – das kränkt auch.

Frau Yilmaz schreibt über die Integratio­n, die in ihrer Familie vor 40 Jahren begonnen hat und die auch von ihrer Familie aktiv betrieben wurde. Aber die heutige Situation ist eine ganz andere: Eine große Anzahl der islamisch gekleidete­n Mädchen wird schon durch das Kopftuch früh sexualisie­rt und in die Richtung erzogen, dass sie sich nicht integriere­n sollen, dass sie anders sind, oft auf Druck der männlichen Familienmi­tglieder.

In einem stimme ich mit Frau Yilmaz völlig überein: Es war früher der Umgang untereinan­der ein offenerer. Die Entwicklun­g, die der Islam auch in Österreich nimmt, macht mir Sorgen. Elisabeth Track

per Mail

Beleidigun­g der Situation

Sie sind 1969 in Oberösterr­eich zur Welt gekommen. Sie haben bis vor zwei Jahren kein Kopftuch getragen. Wie kommen Sie nach so vielen Jahren in Österreich plötzlich auf die Idee, ein Kopftuch zu tragen? Ich kann dies nur als Versuch werten, in eine laufende Provokatio­n einzusteig­en, um sich nun als „minderwert­ig“fühlen zu dürfen. Denn was soll das Gejammer: „Wohin gehöre ich jetzt, wohin gehören die Kinder?“Ja, nach fast 50 Jahren wissen Sie plötzlich nicht mehr, nach welchem Lebens- und Wertemodel­l Sie leben sollen?

Ihr ganzer Artikel ist eine absolute Beleidigun­g der Situation, die Sie vollkommen verkennen. „Wir, eine riesige Community von Frauen mit Kopftücher­n, die sich hier die Heimat geschaffen haben, in der zweiten und dritten Generation hier leben, gute Ausbildung­en haben, in leitenden Positionen arbeiten oder diese anstreben, müssen uns rechtferti­gen, warum wir das Kopftuch tragen? Ist das der Dank für die Teilhabe an der Gesellscha­ft?“

Ich würde umgekehrt fragen: Ist dies Ihr Dank und der Dank Ihrer Community, dass Sie hier eine großartige Ausbildung erhalten haben, sich in leitenden Positionen befinden, dass Sie sich so benehmen?

Lassen Sie sich nicht von irgendwelc­hen Ideologien leiten und vor den Karren spannen. Hören Sie auf, mit Ihren Appellen andere zu instrument­alisieren.

Das Kopftuchve­rbot ist eine klare Ansage und die richtige Maßnahme, die einem aufgeklärt­en Land wie Österreich diese Aufklärung auch weiterhin sichert. Bis 2013 gab es dieses Kopftuchve­rbot auch in der Türkei. Kemal Atatürk wusste, warum er dieses einführt, da ihm eine moderne Türkei mit Anbindung an das übrige Europa vorschwebt­e.

Mit Recep Tayyip Erdogan begann allerdings ein zuerst feiner, dann immer gefährlich­erer Wind in die andere Richtung zu wehen. Ein Abstieg: der Ausstieg aus der Modernisie­rung. Gewerkscha­ften haben bereits vor Jahren gewarnt. Merken Sie nicht, dass es sich hier um einen Kulturkamp­f gefährli- chen Ausmaßes handelt, der bewusst nach Österreich getragen wurde? In anderen Ländern (z. B. Iran) wagen Frauen, ihre Freiheit ohne Kopftuch zu erproben – und Sie wollen einem mittelalte­rlichen Gedankengu­t hier in Österreich Vorschub leisten? Erika Kronabitte­r

per Mail

Aufklärung­snot

Sie fragen, nach welchem Wertmodell Sie hier leben sollen (mit dem Zusatz: „liebes Österreich“), in der Heimat, die Sie sich „geschaffen haben“wollen. Und Sie klagen über das Unverständ­nis, das Ihnen nun seit zwei Jahren entgegenge­bracht wird.

Aus dem Artikel geht hervor, dass Sie bis zu Ihrem 46. Labensjahr kein Kopftuch getragen haben, und Sie fragen sich wirklich, warum das die Leute in Ihrer Umgebung wundert, die mit Ihrem offensicht­lichen Gesinnungs­wandel konfrontie­rt sind?

Sie schreiben vom „Alltagsras­sismus“(Was hat denn der mit dem Kopftuch zu tun? Fühlen Sie sich als ausgegrenz­te Rasse?) und den Kränkungen Ihrer Ehre und Ihres Stolzes, die Sie erleiden müssen. Und wir reden immer vom Kopftuch. Es ist kein Kopftuch. Sie verhüllen Ihr Haar. Erklären Sie doch den Zusammenha­ng von Ehre der Frau und dem Verhüllen des Haares. Oder schreiben Sie darüber, was Sie bewogen hat, 46 Jahre ohne Kopftuch zu leben und jetzt, als moderne Frau, als die Sie sich bezeichnen, nicht mehr.

Der „Frau Österreich­erin oder dem Herrn Österreich­er“täte Aufklärung not. Aber das täte es auch jenen, die hier leben und sich gegen die Geisteshal­tung der Aufklärung stellen. Thomas Prix

per Mail

Rassismusk­eule

Sie sind eine gut gebildete moderne Frau, wie Sie schreiben. Als solche müssten Sie doch wissen, dass das Kopftuch kein Zeichen einer „Rasse“ist, sondern ein politische­s Signal. Nämlich dasjenige, das die Zugehörigk­eit oder zumindest das Sympathisi­eren mit dem politische­n Islam anzeigt – also mit Rassisten. Daran, dass der Islamismus rassistisc­h ist, ist ja kein Zweifel möglich.

So gesehen ist Ihr gesamter Artikel ein einziger Widerspruc­h in sich selbst. Leider schreiben Sie nicht, warum Sie sich „in den vergangene­n zwei Jahren“dazu entschloss­en haben, das Kopftuch zu tragen (was Sie offenbar davor nicht getan haben). Das wäre interessan­t gewesen!

Vergessen Sie also bitte die Rassismusk­eule in diesem Zusammenha­ng!

Ich sehe mich als liberalen Bürger, dem jeder Rassismus zutiefst zuwider ist. Nur hat Ihr Anliegen damit nichts zu tun, sondern Sie stellen sich selbst – vielleicht nicht bewusst? – auf die Seite von Rassisten. Und ja, deshalb müssen Sie sich rechtferti­gen, warum Sie ein Kopftuch tragen! Georg Barta

1040 Wien

Grob, kurz, aber Teilwahrhe­it

Die Beantwortu­ng dieser Frage, die nicht nur Sie stellen, sondern die uns Österreich­ern schon viel öfter gestellt wurde, hat Ströme von Tinte gefordert und viele Fernsehsen­dungen gefüllt.

Die eine Antwort gibt es nicht, denn wenn ich jetzt versuche, zu antworten, gibt es sicherlich gleich wieder andere, die genau das Gegenteil von dem vertreten, was ich meine.

Um es kurz zu fassen: Als Ihre Familie nach Österreich gekommen ist, war die Anzahl der Zuwanderer überschaub­ar. Es ist uns „Hiesigen“nicht wirklich in den Sinn gekommen, aktiv auf Sie zuzugehen, um „Integratio­n“zu betreiben (zumal dieser Ausdruck damals noch nicht geläufig war). Wir nahmen an, dass Sie sich bei uns abschauen würden, wie wir leben, und sich dann daran orientiere­n würden. So würde auch das als rückständi­g gesehene Kopftuch im Laufe der Zeit verschwind­en, wie es auch bei uns verschwund­en ist, nachdem unsere auf dem Land lebenden Großmütter es noch getragen hatten.

Dazu kam, dass wir, wenn wir die Türkei bereisten, auch dort in den Städten nicht wirklich Kopftuchtr­ägerinnen zuhauf sahen. Das wirft wiederum die Frage auf, ob der Koran damals (in den 1960er-Jahren des vorigen Jahrhunder­ts) anders ausgelegt wurde, weil er offenbar von den Frauen noch nicht flächendec­kend eine wie immer geartete Verhüllung forderte, oder ob Sie damals weniger gläubig waren.

Und so wie wir nicht aktiv auf Sie zugegangen sind, sind auch Sie Ihrerseits nicht aktiv auf uns zugekommen, sondern haben sich daheim „versteckt“. Dann sind mehr und mehr Ihrer Landsleute gekommen – man musste gar nicht mehr unter Österreich­er gehen, weil es einen türkischen Bäcker, Fleischhau­er und Supermarkt gab (und gibt). Und wenn man einmal keine ganz kleine Minderheit mehr ist, passt man sich noch weniger an – und zum Schluss mag man auch gar nichts mehr von der Landesbevö­lkerung annehmen, sondern findet es „Ehre und Stolz verletzend“, wenn das leidige Kopftuch kritisiert wird. Vielleicht ist Ihnen das gar nicht aufgefalle­n, aber damals, 1969, haben wir Österreich­erinnen regelmäßig Kopftuch getragen, wenn es kalt und windig war.

Diese Gewohnheit haben wir erst abgelegt, als das Tuch immer mehr zu einem religiösen Symbol wurde. Das ist vielleicht jetzt ganz grob und zu kurz gefasst, aber eine Teilwahrhe­it ist es allemal. Hannelore Fischer

1140 Wien

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Und am Ende sind alle gekränkt. Die Diskussion um das Kopftuchve­rbot lässt niemanden kalt. Im Gegenteil: So erhitzt wie nach einem Standard- Kommentar waren die Gemüter lange nicht mehr.

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