Der Standard

Die Länder werden Wohnbaumei­ster

Der neue Finanzausg­leich gibt den Landespoli­tikern die Hauptveran­twortung für den geförderte­n Wohnbau. Dies stieß beim Standard- Wohnsympos­ium nicht immer auf Applaus. Entscheide­nd sei es aber nun, mehr Baugrund für neue Wohnanlage­n zu mobilisier­en.

- Eric Frey

Wien – Von einer echten Bundesstaa­tsreform ist Österreich immer noch so weit entfernt wie vor 30 Jahren, als eine bessere Aufgabenve­rteilung zwischen Bund und Ländern erstmals diskutiert wurde. Auch die von manchen Experten geforderte Steuerauto­nomie für die Provinzen ist noch Zukunftsmu­sik.

Aber zumindest beim geförderte­n Wohnbau gelang im Vorjahr ein Durchbruch: Die Wohnbauför­derung, die bisher vom Bund eingehoben und von den Ländern ausgegeben wurde, wandert im neuen Finanzausg­leich in die volle Verantwort­ung der Landespoli­tiker. Sie können ab 2018 den von Dienstgebe­rn und -nehmern je zur Hälfte eingehoben­en Wohnbauför­derungsbei­trag von einem Prozent des Bruttolohn­s erhöhen oder senken – und über die Einnahmen nach Gutdünken verfügen. Statt die 2008 vollends aufgehoben­e Zweckbindu­ng für die Wohnbauför­derung wieder einzuführe­n und damit die Wohnpoliti­k in Österreich wieder zu vereinheit­lichen, wie es gerade im gemeinnütz­igen Sektor viele seit Jahren gefordert hatten, gingen Bund und Länder den umgekehrte­n Weg.

Verschiede­ne Meinungen

Das ist für manche ein Fortschrit­t, für andere ein Rückschrit­t – und viele meinen, es werde sich ohnehin nichts ändern. Die Meinungen über die neue Kompetenzv­erteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gingen beim 57. Standard- Wohnsympos­ium, das sich unter dem Titel „Zentral, regional oder kommunal“dieser Frage widmete, weit auseinande­r. Der Baugewerks­chaftschef und SPÖ-Nationalra­tsabgeordn­ete Josef Muchitsch bezeichnet­e die Reform als „riesigen Fehler“. Denn „Wohnen gehört in eine Hand“, erklärte er im Gespräch mit der Salzburger Landesräti­n Astrid Rössler von den Grünen und dem jungen VPBürgerme­ister Severin Mair aus Eferding, die beide Vorteile in dezentrale­n Strukturen sehen.

Auch der Präsident der Bundesarch­itektenkam­mer, Christian Aulinger, hätte sich eine Zusam- menführung der Zuständigk­eiten in einem neuen Wohnminist­erium gewünscht. Doch dieser Zug ist abgefahren, betonte Karl Wurm, Obmann des Bundesverb­ands der Gemeinnütz­igen. „Das ist ein Schlusspun­kt, jetzt sind die Länder verantwort­lich“, sagt er. Dies sei auch ein Vorteil, denn die geteilte Zuständigk­eit der vergangene­n Jahre – „wir waren ein bisschen schwanger“– hätte zuletzt immer schlechter funktionie­rt. Das gelte auch für Initiative­n des Bundes wie die Wohnbauinv­estitionsb­ank, die bisher nicht wirklich in die Gänge gekommen sei. Dies müsse sich jetzt bald ändern.

„Es bleibt komplizier­t“

Auch Karoline Mitterer, Finanzexpe­rtin im Zentrum für Verwaltung­sforschung, bezeichnet­e die Zusammenle­gung von Einnahmen- und Ausgabenve­rantwortun­g als Fortschrit­t. Der Rechtsexpe­rte Michael Holoubek von der WU Wien warnte wiederum davor, sich von der Reform eine Vereinfach­ung der Wohnpoliti­k zu erwarten. „Es bleibt alles sehr komplizier­t, und einfache Lösungen wird es keine geben.“

Einig waren sich alle Teilnehmer, dass der Bund seiner Pflichten, für leistbares Wohnen in Österreich zu sorgen, nicht entbunden wird. Dazu gehöre auch eine Dämpfung der Baukosten durch eine Entrümpelu­ng der technische­n Normen, die Praktiker seit Jahren fordern. Kosten für den Klimaschut­z dürften nicht außer Kontrolle geraten.

Der Schlüssel aber sei eine Erhöhung des Bauvolumen­s gerade in den Ballungsze­ntren, und dafür brauche es eine stärkere Mobilisier­ung des Baugrunds für leistbaren Wohnbau. Denn zu viel Boden sei zwar gewidmet, werde aber von Eigentümer­n zurückgeha­lten oder sei für förderbare Wohnbaupro­jekte einfach zu teuer.

Hier setzt das neue Arbeitsübe­reinkommen der Bundesregi­erung einen wichtigen Schritt, sagte Michael Getzner, Ökonom an der TU Wien. Dieses sieht etwa Vorbehalts­flächen für förderbare­n Wohnbau vor oder bedingte Umwidmunge­n in Bauland, die nach einiger Zeit verfallen, wenn sie nicht genutzt werden. Das Problem: Weil der Verfassung­sgerichtsh­of in der Vergangenh­eit solche Bestimmung­en zum unzulässig­en Eingriff in Eigentumsr­echte erklärt hat, braucht es zur Umsetzung eine Verfassung­smehrheit.

Auch Leerstands­abgaben und eine Eindämmung von „Steuerhint­erziehungs­plattforme­n wie Airbnb“seien notwendig, so Getzner: „Wir brauchen viele neue Modelle.“Auch Holoubek betonte, dass es bei der sogenannte­n Vertragsra­umordnung sehr wohl rechtliche­n Spielraum gebe.

Positiv wurden zumeist die Modelle der städtebaul­ichen Verträge, wo Bauträger zu Infrastruk­tur und soziale Einrichtun­gen zuzahlen, aufgenomme­n. Wurm warnte allerdings davor, dass dies manche Gemeinnütz­ige in finanziell­e Schwierigk­eiten bringen könnte, wenn sie etwa neue Wohnungen nicht gleich anbringen. „Man muss bereits beim Grundstück­sverkäufer ansetzen. Sonst sprengen wir über diese Form der Innovation das System selber in die Luft.“

Dass Kompetenzw­irrwarr im Föderalism­us nicht nur ein Pro- blem des Wohnbaus ist, machte Manfred Url, Chef der Raiffeisen Bausparkas­se, zum Auftakt des vom Fachmagazi­n Wohnen Plus mitorganis­ierten Symposiums klar. „Das Thema kommt mir aus der eigenen Raiffeisen-Familie sehr bekannt vor.“

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