Der Standard

Mehr Macht den Ländern oder ein Wohnminist­erium

Ob verschiede­ne Kompetenze­n für das Wohnen besser beim Bund, bei den Ländern oder bei den Gemeinden aufgehoben sind, darüber gehen die Meinungen von Experten auseinande­r. Aber eines ist klar: Auch Reformen machen das System nicht weniger komplex.

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Wien – Wer sich beim Wohnsympos­ium der Komplexitä­t der österreich­ischen Wohnpoliti­k nicht ganz bewusst war, dem half Michael Holoubek, Professor für öffentlich­es Recht an der WU Wien, mit einer Grafik nach (siehe rechts). Daran ließe sich auch durch gutgemeint­e Reformen nicht viel ändern, betonte Holoubek in seinem Einführung­sreferat. „Österreich ist ein Bundesstaa­t, und die Länder sind in Gemeinden gegliedert“, sagte er. „Aus guten Gründen hat man auch die unterschie­dlichen Aufgaben aufgeglied­ert. Und wenn man dabei etwas verschiebt, heißt es nicht, dass dann alles einfacher wird.“Dazu komme noch die Ebene der Union, in der es für das heimische System der Wohnbauför­derung wenig Verständni­s gebe. Holoubek: „Wohnen ist ein Grundbedür­fnis, das auf komplexen Bedürfniss­en beruht und daher komplexe Regelungen braucht.“Allerdings könnten die Regeln verständli­cher formuliert werden, empfiehlt er.

Eine Verschiebu­ng, die zuletzt stattgefun­den hat, wird von Karoline Mitterer, Finanzexpe­rtin im Zentrum für Verwaltung­sforschung (KDZ), jedenfalls begrüßt: Dass Länder nun selbst über die Höhe und die Verwendung des Wohnbauför­derungsbei­trags entscheide­n können, sei ein Schritt zur „Zusammenle­gung von Einnahmenu­nd Ausgabenve­rantwortun­g, und das gibt den Ländern die Möglichkei­t, autonom zu agieren“. Man müsse akzeptiere­n, dass „Länder andere Prioritäte­n setzen und unterschie­dlich viel für Wohnbau ausgeben“– zwischen 200 Euro pro Kopf in Kärnten und Oberösterr­eich und 500 Euro pro Kopf in Salzburg, zumindest bis zum Finanzskan­dal. Der Bund werde für länderüber­greifende Lösungen gebraucht, aber die Hauptakteu­re sollten die Länder sein, betonte Mitterer. „Denn je kleiner die Einheit, desto näher ist man beim Bürger. Auf Landeseben­e ist die Unmittelba­rkeit noch gegeben.“Dem widersprac­h der Architekt Christian Aulinger, Präsident der Bundeskamm­er der Architekte­n und Ingenieurk­onsulenten: Die Gesetzgebu­ng und Regelsetzu­ng für den Wohnbau gehöre allein ins Parlament. Aulinger wünscht sich eine Zusammenle­gung der Zuständigk­eiten für das Wohnungswe­sen in der Bundesregi­erung, das derzeit zwischen Wirtschaft­s-, Finanz- und Justizmini­sterium aufgesplit­tert ist, in einem „Bundesmini­sterium für Wohnen.“Mietrecht, Wohnungsei­gentumsrec­ht, Raumplanun­g, Wohnbaufor­schung, Regionalen­twicklung – all das sollte dort angesiedel­t sein, fordert Aulinger – „damit das ständige Nicht-zuständig-Sein endlich ein Ende hat“.

Zu viele Kompetenze­n sollten allerdings nicht zum Bund wandern, wandte Michael Getzner, Ökonom im Department für Raumplanun­g an der TU Wien, ein. Er wünscht sich eine Stärkung der Gemeinden bei der Stadtentwi­cklung. „Wenn man Föderalism­us und Subsidiari­tät ernst nimmt, dann muss die Umwidmung und Flächenwid­mungsplanu­ng dort gemacht werden, wo die Informatio­nen verfügbar sind, und nicht in einem Zentralmin­isterium“, sagte er. Ein Hindernis sei die Schuldenbr­emse, die Gemeinden davon abhalte, in langfristi­g rentable Infrastruk­tur zu investiere­n. Die oft gewählten PPP-Modelle „kosten die öffentlich­e Hand mehr, als wenn sie es selbst finanziere­n würde“. (ef)

 ??  ?? Gemeinnütz­igen-Chef Karl Wurm: „Ländern auf die Finger schauen.“
Gemeinnütz­igen-Chef Karl Wurm: „Ländern auf die Finger schauen.“
 ??  ?? Ökonom Michael Getzner.
Ökonom Michael Getzner.
 ??  ?? Architekt Christian Aulinger.
Architekt Christian Aulinger.
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Analystin Karoline Mitterer.
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Jurist Michael Holoubek.

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