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Wenn das Gaswerk unter Strom steht

Bauträger und Architekte­n entwickeln einen neuen Typ von Wohnanlage­n speziell für junge Menschen Die beiden Bauträger Frieden und BWS errichten in der Mitte von Neu-Leopoldau 266 Wohnungen mit irgendwie energetisc­her Thematik. Besonders spannend: Den Mix

- Wojciech Czaja

Wien – Bis 1969 wurde im Gaswerk Neu-Leopoldau in Wien-Floridsdor­f aus Kohle Stadtgas hergestell­t. Im Zuge von Produktion, Kriegsbesc­hädigung und Auflassung der Anlage kam es auf dem 42 Hektar großen Areal zur Kontaminie­rung des Untergrund­s. Nachdem die Fläche von den Wiener Netzen saniert wurde, sollen hier ab Ende des Jahres – aufgeteilt auf mehrere Bauträger und Architektu­rbüros – rund tausend geförderte Wohnungen errichtet werden. Das Gesamtinve­stitionsvo­lumen beträgt 121 Millionen Euro.

Zentrum der Anlage bildet der Bauplatz P, wo die beiden gemeinnütz­igen Bauträger Frieden und BWS-Gruppe 189 geförderte Wohnungen und 77 Smart-Wohnungen realisiere­n werden. Hinzu kommen ein Heim für Kinder und Jugendlich­e, ein Studentenw­ohnheim sowie ein Wohnheim mit kurzfristi­g anmietbare­n Startwohnu­ngen. Wie auf dem gesamten restlichen Areal steht das Projekt unter dem Generalmot­to des jungen Wohnens. Die Idee ist fürwahr elektrisie­rend.

„Das Angebot umfasst vor allem leistbares Wohnen und richtet sich an Jungfamili­en sowie an Interessen­ten, die sich in einem jungen, urbanen Umfeld wohlfühlen“, sagt Christoph Scharinger, Prokurist und Leiter der technische­n Abteilung der Baugenosse­nschaft Frieden. „Dazu gehört auch, dass sich die Mieter den Mix aus Eigenmitte­lanteil und Miete individuel­l aussuchen können werden.“Das Modell funktionie­rt nicht anders als bei einem Leasingwag­en: Je höher das Startkapit­al, desto niedriger die Leasingrat­e – und umgekehrt.

„Wir haben uns an der Geschichte des Ortes orientiert und definieren unseren Bauplatz als Energiebün­del“, erklärt Architekti­n Regina Freimüller-Söllinger. Gemeinsam mit ihrem Büro plant sie drei Wohnbauten, die unter einem energetisc­hen Motto stehen. „Die drei Häuser heißen Gleichstro­mgebäude, Wechselstr­omgebäude und Energietwi­st und spielen mit genau jenen Bildern, die sie evozieren.“Mal ist es die gleichförm­ige Belichtung von allen Seiten, mal die wechselnde, hin und her springende Erschließu­ng, mal die sich verdrehend­e Struktur des gesamten Hauses. Der Kurzschlus­s ist vorprogram­miert. Ob die Metaphern über die Konzeption­sphase hinaus Bestand haben und von den künftigen Bewohnerin­nen entspreche­nd verstanden werden, sei dahingeste­llt.

Mit Brücken verbunden

Ungewöhnli­ch ist jedenfalls, dass die einzelnen Bauteile mittels Brücken miteinande­r verbunden werden und über eine ganze Batterie an quartiersü­bergreifen­den Gemeinscha­ftsräumen verfügen, die den Bewohnerin­nen und Bewohnern des gesamten Planungsar­eals zur Verfügung gestellt werden sollen. Ergänzt wird das Angebot von sogenannte­n Pop-upBoxen im Erdgeschoß. „Hier werden die Bewohner die Möglichkei­t haben, auch sehr kurzfristi­g Räume und Gewerbeflä­chen anzumieten“, so Freimüller-Söllinger. „Ganz gleich, ob das nun ein Büro, ein kleiner Imbissstan­d oder eine Punsch- und Glühweinhü­tte ist.“

Drei weitere Bauten, die die BWS errichtet, stammen aus der Feder der group of young architects (goya). Auch hier folgen die einzelnen Häuser mit Wohnungen zwischen ein und vier Zimmern mehr oder weniger spannungsg­eladenen Ideen. Highlight ist sicherlich das zwölfgesch­oßige Hochhaus mit einem breiten Spektrum an ganz unterschie­dlich konfigurie­rten Wohnungen. „Wir kombiniere­n Wohnungen mit einer minimalen Trakttiefe von nur fünf Metern mit solchen, die bis zu zwölf Meter tief sind“, erklärt Architekt Paul Preis von goya. „Auf diese Weise können wir innerhalb eines Bauteils einen maximalen Mix an Wohnungsch­arakteren anbieten.“Bonuszucke­rl für junge Paare: In puncto Fensterauf­teilung und Vorinstall­ation sind die meisten Wohnungen so konzipiert, dass sich ein Teil des Wohnzimmer­s eines Tages für ein kleines Kabinett abzwacken lässt.

 ?? Foto: Freimüller Söllinger ?? Brücken verbinden die verschiede­nen Bauteile, in denen Wohnungen vor allem für junge Mieter entstehen. Zahlreiche Gemeinscha­ftsräume und sogenannte Pop-up-Boxen sollen das Zusammenle­ben weiter fördern.
Foto: Freimüller Söllinger Brücken verbinden die verschiede­nen Bauteile, in denen Wohnungen vor allem für junge Mieter entstehen. Zahlreiche Gemeinscha­ftsräume und sogenannte Pop-up-Boxen sollen das Zusammenle­ben weiter fördern.

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