Der Standard

Am Freitag werde ich Opa. Willkommen­sgruß an meine Enkelin

- Die Krisenkolu­mne Von Christoph Winder

Wenn Sie diese Kolumne am Samstag lesen, bin ich seit einem Tag Großvater. Livia ist am Freitag um neun auf die Welt gekommen, sie ist 3,3 kg schwer, 52 cm groß, gesund und munter. Ich bin das, was man in solchen Fällen ist: stolz und überglückl­ich.

Meine Schwiegert­ochter Vilja und mein Sohn Sebastian sind keine blutjungen Eltern mehr. Sie waren sehr aufgeregt und sehr darauf bedacht, für alle Eventualit­äten vorzusorge­n. Das Kind hätte auf natürliche­m Weg zur Welt kommen können, aber die Ärzte orteten ein kleines Restrisiko für Geburtspro­bleme. Daher entschiede­n sie sich für einen Kaiserschn­itt.

Das hat die interessan­te Konsequenz, dass der sonst anarchisch eintretend­e Geburtsvor­gang auf Tag und Stunde genau bekannt ist. Am Dienstag konnte ich mir sagen: „Noch dreimal schlafen, und du bist Opa“, am Mittwoch „noch zweimal“, am Donnerstag „noch einmal“. Am Freitag trat ich planmäßig in den Opa-Stand ein.

Es gibt Kolumniste­n, die ihr Familienle­ben sehr freimütig preisgeben, und es gibt solche, die das nicht tun. Beides ist okay. Ich zähle zur zweiten Gattung. Breit ausgewalzt­e EnkerlSent­imentalitä­ten wären mir ein Gräuel. Dennoch bin ich froh, dass mich Mia Eidlhuber so liebenswür­dig gebeten hat, diesen Text zu schreiben. Ich begreife ihn als einen Willkommen­sgruß und als Versuch, mein Überglück mit den Leserinnen und Lesern zu teilen.

Als Großvater hat man Gefühle. Bei meinem Freund Ernst wurlt es. Er ist zwei Jahre jünger als ich und hat vier Enkel. Ich empfinde es als sportliche Genugtuung, dass sich die Enkeldista­nz von 4:0 auf 4:1 verringert hat. Die Geburt war mir auch ein Anlass, einen Blick auf unsere gemeinsame Lebenskett­e zu werfen und wahrzunehm­en, wie weit ich auf meiner eigenen vorangesch­ritten bin. Der deutsche Philosoph Wilhelm Weischedel hat den schönen Begriff der „Abschiedli­chkeit“geprägt. Die habe ich in den vergangene­n Tagen, vielleicht paradoxerw­eise, intensiv gespürt. Das Leben geht mit uns weiter, und irgendwann auch ohne uns.

Mein Sohn und meine Schwiegert­ochter leben in Graz, daher kenne ich meine Enkelin erst von einem Foto. Ich kann es kaum erwarten, sie in Fleisch und Blut zu sehen. Am Montag fahre ich zu ihnen. Inzwischen: Willkommen, kleine Livia. Möge es das Leben gut mit dir meinen.

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