Der Standard

Merkels Besuch bei Trump gilt auch im Namen der EU

Die Unionsspit­ze tappt nach wie vor im Dunkeln, welche Politik die neue US-Führung in Europa anstrebt

- Thomas Mayer aus Brüssel

Seit Donald Trumps Amtseinfüh­rung am 20. Jänner ist das Verhältnis der EU zu den USA von einer Mischung aus Anspannung und Warten auf bessere Zeiten geprägt. Der US-Präsident hat zwar aufgehört, die transatlan­tischen Partner mit Rückzugsdr­ohungen der USA einerseits und dem Verspreche­n von Bündnistre­ue in der Nato anderersei­ts zu verunsiche­rn.

Aber von diplomatis­cher Normalität, wie sie trotz schwerer Zerwürfnis­se in Sachen illegaler Datenüberw­achung der NSA oder den Auffassung­sunterschi­eden beim geplanten Freihandel­sab- kommen (TTIP) unter Vorgänger Barack Obama acht Jahre lang geherrscht hatte, kann keine Rede sein. Daran hat auch der Kurzbesuch von Vizepräsid­ent Mike Pence bei Kommission­schef JeanClaude Juncker und Ratspräsid­ent Donald Tusk wenig geändert.

Pence versprach den EU-Partnern Kontinuitä­t und brachte, wie er sagte, von Trump persönlich eine Botschaft des Wohlwollen­s mit. Das wurde in den EU-Institutio­nen wie auch von den Staatsund Regierungs­chefs besprochen, aber mit Skepsis betrachtet. Man weiß nicht, was der US-Präsident plant. Er kommt erst im Mai erstmals nach Europa, zur Eröffnung des neuen Nato-Hauptquart­iers in Brüssel. Dazu passt, dass Trump versucht hat, der Regierung in Berlin ein Angebot über bilaterale Handelsges­präche anzutragen.

Kanzlerin Merkel lehnte das unter Verweis auf die Gepflogenh­eiten in der EU ab. Die TTIP-Verhandlun­gen liegen de facto auf Eis, der US-Präsident hat sich bisher dazu nur negativ geäußert und erklärt, dass er dieses Handelsabk­ommen – so wie jenes mit dem Pazifikrau­m – keinesfall­s will.

Merkels Besuch in Washington ist daher auch so etwas wie ein erstes Abtasten für die gesamte Union: Mit Ausnahme eines Telefonats von Tusk mit Trump hat es auf höchster Ebene offiziell bisher keinen persönlich­en Kontakt ge- geben. Neben Brexit und Wirtschaft­sfragen wird es um Syrien, um Russland und Ukraine gehen. Soweit bekannt, plant die deutsche Kanzlerin einen guten Teil ihres Gesprächs mit dem US-Präsidente­n dafür zu verwenden, ihm die Funktionsw­eise der Union und die Rolle der Staaten näherzubri­ngen. Mit Sicherheit wird sie auch die vor allem von Deutschlan­d gewünschte Fortsetzun­g der Verhandlun­gen über ein EU-Handelsabk­ommen ansprechen.

Trump hat nach seiner Wahl betont, dass er nach dem Brexit den weiteren Verfall der EU erwarte. Diesem Eindruck entgegenzu­treten wird aus Brüsseler Sicht Merkels Hauptarbei­t sein.

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Foto: Reuters / Jonathan Ernst Donald Trump bei seinem ersten Telefonat mit Merkel Ende Jänner.

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