Merkels Besuch bei Trump gilt auch im Namen der EU
Die Unionsspitze tappt nach wie vor im Dunkeln, welche Politik die neue US-Führung in Europa anstrebt
Seit Donald Trumps Amtseinführung am 20. Jänner ist das Verhältnis der EU zu den USA von einer Mischung aus Anspannung und Warten auf bessere Zeiten geprägt. Der US-Präsident hat zwar aufgehört, die transatlantischen Partner mit Rückzugsdrohungen der USA einerseits und dem Versprechen von Bündnistreue in der Nato andererseits zu verunsichern.
Aber von diplomatischer Normalität, wie sie trotz schwerer Zerwürfnisse in Sachen illegaler Datenüberwachung der NSA oder den Auffassungsunterschieden beim geplanten Freihandelsab- kommen (TTIP) unter Vorgänger Barack Obama acht Jahre lang geherrscht hatte, kann keine Rede sein. Daran hat auch der Kurzbesuch von Vizepräsident Mike Pence bei Kommissionschef JeanClaude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk wenig geändert.
Pence versprach den EU-Partnern Kontinuität und brachte, wie er sagte, von Trump persönlich eine Botschaft des Wohlwollens mit. Das wurde in den EU-Institutionen wie auch von den Staatsund Regierungschefs besprochen, aber mit Skepsis betrachtet. Man weiß nicht, was der US-Präsident plant. Er kommt erst im Mai erstmals nach Europa, zur Eröffnung des neuen Nato-Hauptquartiers in Brüssel. Dazu passt, dass Trump versucht hat, der Regierung in Berlin ein Angebot über bilaterale Handelsgespräche anzutragen.
Kanzlerin Merkel lehnte das unter Verweis auf die Gepflogenheiten in der EU ab. Die TTIP-Verhandlungen liegen de facto auf Eis, der US-Präsident hat sich bisher dazu nur negativ geäußert und erklärt, dass er dieses Handelsabkommen – so wie jenes mit dem Pazifikraum – keinesfalls will.
Merkels Besuch in Washington ist daher auch so etwas wie ein erstes Abtasten für die gesamte Union: Mit Ausnahme eines Telefonats von Tusk mit Trump hat es auf höchster Ebene offiziell bisher keinen persönlichen Kontakt ge- geben. Neben Brexit und Wirtschaftsfragen wird es um Syrien, um Russland und Ukraine gehen. Soweit bekannt, plant die deutsche Kanzlerin einen guten Teil ihres Gesprächs mit dem US-Präsidenten dafür zu verwenden, ihm die Funktionsweise der Union und die Rolle der Staaten näherzubringen. Mit Sicherheit wird sie auch die vor allem von Deutschland gewünschte Fortsetzung der Verhandlungen über ein EU-Handelsabkommen ansprechen.
Trump hat nach seiner Wahl betont, dass er nach dem Brexit den weiteren Verfall der EU erwarte. Diesem Eindruck entgegenzutreten wird aus Brüsseler Sicht Merkels Hauptarbeit sein.