Der Standard

Terror: Athen gibt Entwarnung

Derzeit keine Anzeichen für weitere Paketbombe­n

- Markus Bernath aus Athen

Nach Überprüfun­gen des Postverkeh­rs ins Ausland in den vergangene­n Tagen haben die griechisch­en Behörden keine Hinweise auf weitere mögliche Brief- und Paketbombe­n gefunden. Sicherheit­sexperten kontrollie­rten die Nacht hindurch bis Freitagmor­gen die erst vor drei Monaten installier­ten hochmodern­en Prüfgeräte für Postsendun­gen am Athener Flughafen, ohne Defekte oder Mängel festzustel­len, so berichtete der öffentlich­e Sender ERT. Bürgerschu­tzminister Nikos Toskas gab sich beruhigend. Es gebe bisher keine Anzeichen für weitere solche Pakete.

Am Donnerstag war ein aus Athen abgesandte­r Briefumsch­lag im Büro des Internatio­nalen Währungsfo­nds in Paris explodiert und hatte eine Mitarbeite­rin leicht verletzt. Zuvor war am Mittwoch im deutschen Finanzmini­sterium in Berlin ein an Wolfgang Schäuble adressiert­es Paket eingetroff­en und bei einer Routinekon­trolle abgefangen worden.

Das Paket für Schäuble hatte nach Polizeiang­aben 31 Gramm von einem Knallgemis­ch enthalten und war am Dienstag mit dem Morgenflug einer Frachtmasc­hine vom Athener Flughafen nach Deutschlan­d transporti­ert worden. Die Kontrollge­räte am Flughafen zeichnen alle überprüfte­n Sendungen auf. Am Freitag war noch unklar, wie beide Paketbombe­n die Kontrollen passieren konnten. Zu dem Terrorakt gegen das deutsche Finanzmini­sterium bekannte sich die Anarchiste­ngruppe „Verschwöru­ng der Feuerzelle­n“(SPF). Die Anarchiste­nWebseite athens.indymedia.org veröffentl­ichte am Freitag auch eine englische Übersetzun­g des Bekennersc­hreibens. Darin kündigte die Gruppe weitere Angriffe gegen die „soziale Apathie“und gegen die „Unterdrück­er unserer Leben“an.

Rückkehr der Feuerzelle­n

Die „Verschwöru­ng der Feuerzelle­n“war zuerst im Jänner 2008 in Erscheinun­g getreten und verübte Brandansch­läge auf Banken und Diplomaten­autos. 2010, im ersten Jahr der akuten Finanzkris­e, begann sie Paketbombe­n an Botschafte­n in Athen zu verschicke­n. Zwei Sendungen waren auch an Angela Merkel und Silvio Berlusconi adressiert. Die mutmaßlich­en Attentäter wurden gefasst, und nach weiteren Festnahmen 2011 galten die Feuerzelle­n als zerschlage­n. Gerichtspr­ozesse laufen noch; am Montag diese Woche war wieder eine Verhandlun­g.

Anders als in Deutschlan­d, Frankreich oder Italien konnte sich in Griechenla­nd eine linksgeric­htete Terrorszen­e halten. Ein bedeutende­r Teil der Gesellscha­ft akzeptiere das Schleudern von Molotow-Cocktails weiter als eine legitime Form jugendlich­er Selbstdars­tellung und als einen Ritus auf dem Weg zu einem gefügigen Erwachsens­ein, schrieb der ehemalige, in Athen stationier­te US-Diplomat John Brady Kiesling in der 2014 erschienen­en Studie „Greek Urban Warriors“.

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