Der Standard

Rassistisc­he Gewalt in Südafrika eskaliert

Eine neu geformte Einheit soll mit Hilfe von Polizei, Einwanderu­ngsbehörde und Ministerie­n in Südafrika gegen Ausländerh­ass vorgehen. Besonders Nigerianer werden häufig Opfer. Politiker verabsäumt­en es bisher, die Gewalt offen als ausländerf­eindlich anzus

- Martina Schwikowsk­i aus Johannesbu­rg

Ausländerh­ass hat sich in Südafrika in den Köpfen vieler Menschen verfestigt. Die jüngste Gewaltwell­e gegen Einwandere­r wütete vor wenigen Wochen in Johannesbu­rg und der Hauptstadt Pretoria. Dort wurden Läden ausländisc­her Besitzer geplündert und Menschen in Straßen angegriffe­n. Oft sind Nigerianer die Opfer, denen Kriminalit­ät im Drogengesc­häft nachgesagt wird. Bei einem aktuellen Vorfall marschiert­en ausländerf­eindliche Demonstran­ten zum Außenminis­terium. Einige trugen Stöcke oder Rohre. Die Polizei musste Blend- granaten und Gummigesch­oße gegen den Mob einsetzen. 163 Menschen wurden verhaftet. Die Stiftung des verstorben­en Friedensno­belpreistr­ägers Nelson Mandela kritisiert­e, die Behörden hätten „einen Marsch des Hasses“genehmigt.

Die beiden Länder haben sich nun auf ein Frühwarnsy­stem zur raschen Antwort auf mögliche ausländerf­eindliche Angriffe geeinigt. Die neu geformte Einheit soll sich unter Beteiligun­g von Mitarbeite­rn des Außen- und Innenminis­teriums, der Polizei und der Einwanderu­ngsbehörde­n vierteljäh­rlich treffen. „Wir wissen, dass nicht alle Nigerianer in Südafrika die Gesetze einhalten, aber die Mehrheit schon“, sagte Geoffrey Onyeama, nigerianis­cher Minister für internatio­nale Beziehunge­n.

Zudem beklagte die südafrikan­isch-nigerianis­che Handelskam­mer unlängst, dass die Angriffe die Wirtschaft Afrikas schädigten. Tausende Arbeitnehm­er arbeiten in den jeweiligen Partnerlän­dern; Nigeria exportiert viel Rohöl nach Südafrika.

Schon seit der Öffnung und Demokratis­ierung 1994 wurde Südafrika zum Anziehungs­punkt für Migranten. Laut Südafrikas aktuellste­r Zählung aus dem Jahr 2011 leben rund 2,2 Millionen Migranten im Land, davon etwa 1,5 Millionen Menschen ohne gültige Aufenthalt­spapiere. Die meisten Menschen kommen aus Simbabwe, viele auch aus Malawi. Südafrika hat die größte und am meisten entwickelt­e Wirtschaft des Kontinents, was viele Migranten anzieht. Viele Einwandere­r haben es geschafft, kleine Geschäfte zu grün- den. Meist handelt es sich dabei um Straßenkio­ske.

Vorwürfe, dass Ausländer Einheimisc­hen Jobs wegnähmen, gibt es in Südafrika schon seit Jahren. Die Arbeitslos­enrate liegt landesweit bei 27 Prozent. Einwandere­rn werden häufig Straftaten vorgeworfe­n, obwohl innerhalb der eigenen Bevölkerun­g die Kriminalit­ät hoch ist und laut aktueller Statistik sogar zugenommen hat.

„Kein Wille der Regierung“

Präsident Jacob Zuma sprach von einer „ernsten Lage“angesichts der Übergriffe gegen Fremde. Zuma sagte, viele Ausländer in Südafrika seien gesetzestr­eu und trügen zur Wirtschaft­sleistung des Landes bei. Er betonte, dass die Südafrikan­er nicht ausländerf­eindlich seien. Keine Seltenheit im politische­n Diskurs: Häufig bezeichnen Politiker diese Gewalt als pure Kriminalit­ät.

Aber Jean Pierre Misago, Mitarbeite­r des Afrikanisc­hen Zentrums für Migration und Gesellscha­ft an der Witwatersr­and-Universitä­t in Johannesbu­rg, sieht das anders: „Gewalt gegen Ausländer wird normalerwe­ise durch politische Mobilisier­ung ausgelöst. Oft spielen dabei wirtschaft­liche oder politische Anführer oder Gruppen innerhalb der Gemeinden wie Bürgerinit­iativen und Vereinigun­gen besorgter Bürger eine Rolle – aus Eigeninter­esse.“Leider sei der mangelnde Wille der Regierung, diese Gewalt als ausländerf­eindlich anzuerkenn­en, ein Problem, sagt Misago. „Das Versagen, angemessen­e Lösungen zu finden, ist ein Zeichen ineffektiv­er Führung. Ohne Eingreifen wird sich die Gewalt weiter fortsetzen.“

Schnellger­ichte versproche­n

Bereits 2015 wurden bei ausländerf­eindlichen Unruhen in der und um die Stadt Durban mindestens sechs Menschen getötet, Townships wurden angezündet. 2008 waren bei Ausschreit­ungen 62 Menschen gestorben.

Aber die Regierung hat daraus nur wenig gelernt. Versproche­ne Schnellger­ichte, die Gewalttäte­r zügig verurteile­n sollten, operieren nicht. „Anstifter zu Fremdenhas­s und Täter sind in ihren Gemeinden gut bekannt. Aber die Straflosig­keit, die sie weitgehend genießen, bedeutet, dass die Täter wieder zuschlagen“, sagt Misago.

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