Ex- Schlecker-Mitarbeiterin: „Pleite war wie ein Todesurteil“
Nicht Gram, sondern offene Fragen plagen Karola Müller
Wien– 28 Jahre lang arbeitete Karola Müller bei Schlecker in Deutschland. Bis zum „bitteren Ende“blieb sie dem Unternehmen treu. Kommen sehen habe man die Pleite nicht direkt, auffällig waren aber die teils ausbleibenden Lieferungen. Das begann ein Jahr vor der Insolvenz. Und dann sei alles sehr schnell gegangen. Innerhalb weniger Wochen war nichts mehr wie früher. Schlecker insolvent, 25.000 Frauen mit ungewisser Zukunft. „Es war ein Schock“, so Müller heute. Von der Pleite hätten die Mitarbeiter aus dem Radio erfahren oder von Kunden. „Ihr wisst’s eh, dass ihr insolvent seids?“, wurde sie gefragt. Erst später kam die offizielle Mitteilung aus der Zentrale. Immer wieder habe sie sich die Frage gestellt, wie eines der größten Unternehmen Deutschlands, ein Imperium, pleitegehen konnte. In die Arbeitslosigkeit zu schlittern? Nie zuvor war ihr dieser Gedanke gekommen.
Die Schlecker-Filiale in Memmingen-Steinheim schloss im Juni 2012, im November öffnete „Um’s Eck“. Müller und ihre drei Kolleginnen hatten die Filiale in einen Dorfladen umfunktioniert. Verkauft werden Drogeriewaren, regionale Produkte, Geschenkartikel, bis hin zu rezeptfreien Medikamenten. Möglich machte das der Metzger nebenan. Er fürchtete Nachteile für sich, wenn es den Schlecker nicht mehr gäbe, und sprang mit dem Startkapital ein. Jetzt ist er ihr Chef. Ihr ehemaliger Chef, Anton Schlecker, hingegen steht seit Anfang März vor Gericht. Es geht um den Vorwurf des vorsätzlichen Bankrotts und der Insolvenzverschleppung. Und auch darum, ob der einstige Drogeriekönig noch rechtzeitig Vermögen beiseiteschaffen konnte.
Anton Schlecker führte seinen Konzern als „eingetragener Kaufmann“. Dank dieser Rechtsform konnte er rund um sein Drogerieimperium vieles geheim halten, bei Kreditvergaben hatte er zudem bessere Karten. Dafür haftete er mit seinem kompletten Privatvermögen für alle Schulden. Die Pleite habe er jedoch nicht kommen sehen, so Schlecker. „Das glaube ich ihm sogar“, meint Müller. „Wie wir aus Zeitungsberichten mitbekommen haben, war er bei bestimmten Dingen beratungsresistent.“Herr und Frau Schlecker seien bis zum Schluss in die Filialen gekommen, für halbleere Regale hätten sie das Personal verantwortlich gemacht. „Er ist durch den Laden gelaufen. Manchmal hat er nach Problemen gefragt, manchmal hat er auch ein bissl geschimpft. Ein richtiges Gespräch war das nicht.“
Und dann wieder die Medien. Ab Mitte 2000 berichteten die Zeitungen über die Arbeitsbedingungen bei Schlecker. Müller: „Eine tragische Geschichte. Denn die Arbeitskämpfe hätten sechs, sieben Jahre davor stattgefunden, waren längst beigelegt. Als sich die Kunden mit der Belegschaft solidarisieren wollten und die Schleckerläden boykottierten, „kam das einem Todesurteil gleich“. Eines würde sie Anton Schlecker gerne fragen: „Wie kann man jeden Tag in der Firmenzentrale sitzen, ohne mitzubekommen, dass das Unternehmen den Bach runtergeht?“
Genugtuung würde sie keine verspüren, wenn man das Ehepaar Schlecker ins Gefängnis stecken würde. Müller: „Sollte er wirklich Geld beiseitegeschafft haben, sollte es an die Leute gehen, denen er noch Geld schuldet. Viele ehemaligen Kolleginnen vermisse die 51Jährige noch immer. „Wir waren schon so was wie eine SchleckerFamilie.“