Der Standard

Der Schwanz wedelt mit dem Hund

Schulauton­omie: Die Regierung ist den Lehrern schon zu weit entgegenge­kommen

- Günther Oswald

Die Symbolik hätte nicht fataler sein können. Erst nachdem die Lehrergewe­rkschaft beschlosse­n hatte, sie sei mit dem Start der Begutachtu­ng einverstan­den, legte die Regierung am Freitag ihre Gesetzesen­twürfe zum Schulauton­omiepaket vor. Entwürfe, die intern seit Wochen zwischen SPÖ und ÖVP akkordiert sind. Hier kann sich nur der Eindruck aufdrängen: Da wedelt wieder einmal der Schwanz mit dem Hund – so wie es die Pädagogen seit Jahr und Tag tun.

Das ist auch gar kein Vorwurf an die Lehrervert­reter. Es ist ihr Job, sich für ihre Berufsgrup­pe einzusetze­n. Umgekehrt ist es aber nicht Aufgabe der Regierung, nur auf eine Berufsgrup­pe Rücksicht zu nehmen. Ihre Aufgabe ist es, ein bestmöglic­hes Schulsyste­m aufzubauen. Das muss nicht, kann aber im Widerspruc­h zu den Interessen der Lehrerscha­ft stehen.

In öffentlich­en Reden sehen das auch Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id und ihr schwarzer Koverhandl­er Harald Mahrer so. Sie beteuern nun, man werde an den Eckpunkten nichts mehr ändern, auch wenn die Lehrer noch mit einigen Punkten unzufriede­n sind. Das kann man glauben, muss man aber nicht. Die Erfahrunge­n haben jedenfalls anderes gelehrt. Vor allem die Schwarzen scheuen traditione­ll jeden Konflikt mit Gewerkscha­ftern im Staatsdien­st. Diese sind in den Parteistru­kturen der ÖVP stark verankert und in der Lage, binnen kürzester Zeit Kampagnen auf die Beine zu stellen, die wehtun.

Dabei ist man den Lehrern ohnehin schon weit entgegenge­kommen. In manchen Bereichen zu weit. So werden die Schulleite­r auch künftig kaum Möglichkei­ten haben, sich von unfähigen Mitarbeite­rn zu trennen. Besonders absurd ist, jenen Direktoren, die durch die Einrichtun­g eines Schulclust­ers ihre Leitungsfu­nktion verlieren, die bisherigen Zulagen noch drei Jahre voll und weitere drei Jahre teilweise zu bezahlen. Das grenzt an Verhöhnung der Steuerzahl­er.

Die Personalpo­litik bei den geplanten Clustern – bei größeren haben die Lehrer zudem ein Vetorecht – ist ohnehin zu hinterfrag­en. Die Idee, dass zwei bis acht kleinere Schulen kooperiere­n und einen gemeinsame­n Chef bekommen, macht grundsätzl­ich schon Sinn. Keinen Sinn macht es aber, wenn es dann an jedem einzelnen Standort erst recht wieder einen „Bereichsle­iter“gibt, der natürlich auch wieder eine Zulage bekommt.

Die Clusteride­e gibt also nicht nur Antworten auf tatsächlic­h existieren­de Probleme (Lehrer müssen derzeit zum Teil in fachfremde­n Bereichen unterricht­en), sondern sie wirft auch neue auf: Kleinstsch­ulen werden künftig wahrschein­lich gar nicht mehr aufgelöst. Und die Führungseb­ene wird noch aufgebläht­er.

Bei der Schulverwa­ltung haben SPÖ und ÖVP nach entspreche­ndem Widerstand der Länder ohnehin von einer größeren Reform abgesehen. Zwar gibt es auch dort neue Namen (Bildungsdi­rektion statt Landesschu­lrat), de facto ändert sich aber nicht viel. Landeshaup­tleute, die das wollen, können auch weiter selbst den Bildungsdi­rektor geben.

Das lässt wiederum Zweifel an der angekündig­ten Entpolitis­ierung bei den Personalbe­stellungen aufkommen. Solche Verspreche­n kennt man schon aus anderen Bereichen, etwa der Reform der Verwaltung­sgerichtsb­arkeit. Zufälliger­weise sind bei den darauffolg­enden Postenbese­tzungen viele SPÖ- und ÖVPnahe Personen zum Zug gekommen. Man darf gespannt sein, wie das bei den Clusterlei­tern sein wird.

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