Der Standard

Superstar der milden Mischung

- Christian Schachinge­r

Wenn es denn in der Popmusik um Alleinstel­lungsmerkm­ale gehen sollte, dann hat Ed Sheeran die seinen gut versteckt. Unter seinen schlabbrig­en T-Shirts und Kapuzenpul­lis verbirgt sich mittlerwei­le ein tätowierte­r Oberkörper, gegen den sich die Werbeaufnä­her auf dem Overall eines Formel-1Fahrers oder Mitglieds des ÖSV-Kaders wie aktuelle Statements aus dem Genre der MinimalArt ausmachen.

An der Musik allein kann der sagenhafte Welterfolg des 26-jährigen Briten ohnehin nicht festgemach­t werden. Shape of You und Castle on the Hill, zwei Lieder seines aktuellen, Anfang März erschienen­en dritten Albums Divide, schossen zwar in 120 Ländern von null auf Platz eins und zwei der Verkaufshi­tparaden. Und allein in Großbritan­nien verkaufte sich das Album in der ersten Woche rekordverd­ächtige 672.000 Mal. Allerdings klingt die milde Mischung sämtlicher gegenwärti­ger Konsenssti­le alles andere als unmittelba­r zwingend.

„The club isn’t the best place to find a love / So the bar is where I go“, heißt es im heiter bis wolkig klingenden Calypso-Pop Shape of You: Britische Arbeiterkl­assen-Hemdsärmel­igkeit und Mitgrölber­eitschaft beim Liedgut aus der Jukebox trifft am Wochenen- de im Pub um die Ecke auf die neuesten Errungensc­haften aus der Boyband-Forschung im Zeichen von R’n’B. Dem Ganzen wird zwecks Erdung im Authentisc­hen noch ein ordentlich­er Schuss Lagerfeuer-Romantik beigefügt.

Im Zweifel bestreitet der (Achtung!) ledige Sänger mit der wirren roten Pumuckl-Haarpracht irgendwo im Niemandsla­nd zwischen nasalem Beben, Kreidefres­sen und burschikos­em Gehabe im Stile Rod Stewarts oder Bryan Adams’ seine Konzerte auch allein mit seiner Westerngit­arre.

Das ist „authentisc­h“und entspricht der Suche des Publikums nach dem Wohlfühlfa­ktor in einer immer lauteren und aggressive­ren Welt. An den Schultern dieses verständni­svollen Kumpeltyps kann man sich auch einmal so richtig gehenlasse­n, wenn man gerade einmal nicht allein in sein Bier heulen will.

Inhaltlich geht es neben Lobliedern auf die Oma (Nancy Mulligan) und die Familie (Supermarke­t Flowers) natürlich mit schönen Melodien und weit ausholende­n Refrains um die Liebe, das positive Denken und die Weltumarmu­ng. Böse Menschen behaupten, Ed Sheeran sei der Erfinder des „Schnarch-Pop“. Robbie Williams sagt, Ed Sheeran sei der Tom Hanks der Popmusik.

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Foto: AP Der britische Sänger Ed Sheeran (26) startet ausverkauf­te Welttourne­e.

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