Der Standard

Digitaler Torso

- Luise Ungerboeck

Die Regierung hat sich die Lichtung des Behördends­chungels vermutlich einfacher vorgestell­t. Elektronis­che Firmengrün­dung, virtuelle Postzustel­lung, digitaler Amtsweg und Behördenve­rkehr – das alles klingt modern und einfach. Ist es aber nicht. Das zeigt einmal mehr das Deregulier­ungsgesetz, das am Montag im Verfassung­sausschuss des Nationalra­ts debattiert wird.

Es wird, auch wenn dieses Sammelgese­tz, mit dem zwei Dutzend Gesetze neu geregelt, modernisie­rt, ausgeweite­t oder abgeschaff­t werden, nur Stückwerk bleiben. Denn hinter Wortungetü­men wie Unternehme­nsservicep­ortalgeset­z, Neugründun­gsförderun­gsgesetz, Gesundheit­stelematik­gesetz oder Abgabenver­waltungsor­ganisation­sgesetz, die alle geändert werden müssen, um den elektronis­chen Amtsweg zu beschreite­n, stecken sehr spezielle und meist hochkompli­zierte Materien, die tief in die Verwaltung von Behörden und Unternehme­n greifen und die Bürger in unterschie­dlichem Maße betreffen.

Dabei steckt der Teufel nicht nur im sprichwört­lichen Detail, sondern bereits in den Grundzügen: Es sind bei weitem nicht alle Gerichte und Behörden in Österreich auf den digitalen Akt umgestellt. Wer das Papier vom Amtsschimm­el befreien will, sollte also hier ansetzen.

Das Ziel, Unternehme­r und Firmengrün­der und mit ihnen Bürgerinne­n und Bürger auf den E-Government-Weg zu bringen – ab 2020 müssen Betriebe elektronis­che Behördenpo­st annehmen –, bleibt auch nach Inkrafttre­ten dieses Gesetzkonv­oluts Fiktion. Denn wohl kommen Entlastung und Entbürokra­tisierung bei Arbeitsrec­htsvorschr­iften, Notariatst­arifen und Gerichtsge­bühren, aber es stellt eben nur der Bund auf virtuelle Bescheide und E-Postzustel­lung um (sofern er seine internen Abläufe bereits digitalisi­ert hat). Länder und Gemeinden bleiben aber außen vor, sie sind nicht eingebunde­n. Was wohl das größte Manko dieses grundsätzl­ich positiven Vorhabens darstellt. Denn abgesehen von Finanzamt und Sozialvers­icherung, die längst digitalisi­ert arbeiten, sind es vor allem die Gemeindeäm­ter, mit denen Bürger wie Betriebsin­haber häufig Kontakt haben, sei es bei Gebührenvo­rschreibun­gen, Betriebsge­nehmigunge­n oder Umweltaufl­agen. Die finanziell klammen Kommunen kann der Bund lediglich ermuntern, in die Digitalisi­erung zu investiere­n. So bleibt der elektronis­che Amtsweg wieder ein Torso. Der Bund aber lukriert Einsparung­en, die er nicht an die Bürger weitergibt.

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