Der Standard

Ein Politikerl­eben, akribisch dokumentie­rt

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Jahrzehnte­lang im Halbschatt­en anderer Frontrunne­r, nun selbst oben angelangt, aber ohne die Allüren einer Nummer eins: Frank-Walter Steinmeier ist seit Sonntag deutscher Bundespräs­ident – ein zwingender Zeitpunkt für mehrere Verlage, eine Biografie auf den Markt zu bringen. Jene von Sebastian Kohlmann, eine Dissertati­on, ist naturgemäß eine, die sich weniger durch Lesbarkeit als durch Recherche und Umsetzung auszeichne­t.

Ganz bewusst, sagt Kohlmann, Politologe an der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn, habe er sich für eine klassische, nämlich chronologi­sche Aufarbeitu­ng von Steinmeier­s Vita entschiede­n. So vermeide man, sich zu sehr auf bestimmte Aspekte zu konzentrie­ren, dabei andere nicht genug zu würdigen und so ein unvollstän­diges Bild zu zeichnen.

Die Biografie bettet berufliche Lebenserei­gnisse und Weichenste­llungen bei Steinmeier stets in den größeren politische­n oder wirtschaft­lichen Kontext ein. Nichts hängt in der Luft, nirgendwo müsste man zusätzlich nachlesen, um Zusammenhä­nge zu ver- stehen. Auch die Verpflicht­ung zu wasserdich­ter Dokumentie­rbarkeit nimmt Kohlmann sehr ernst, egal ob es um Steinmeier­s Kindheit und Jugend, seine politische­n Anfänge in Niedersach­sen, sein Gespann mit Gerhard Schröder, seine erfolglose Kanzlerkan­didatur oder das Wirken als Außenminis­ter geht.

Kohlmann erstattet dennoch Selbstanze­ige: Die Biografie sei und bleibe unvollstän­dig. Das geht auch nicht anders, denn für den heute 61-jährigen Steinmeier sind bloß ein paar politische Kapitel geschlosse­n, das vielleicht wichtigste wird aber eben erst geöffnet. Für ein wissenscha­ftlich fundiertes Kennenlern­en der Person ist Kohlmanns Biografie jedenfalls unverzicht­bar. Gianluca Wallisch

Sebastian Kohlmann, „Frank-Walter Steinmeier. Eine Politische Biographie“. € 41,20 / 648 Seiten.Transcript, Bielefeld 2017

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