Was EU-Bürger wann bekommen
Sebastian Kurz will strengere EU- Sozialregeln. Unionsbürger müssen freilich schon jetzt in das System eingezahlt haben, um Leistungen lukrieren zu können.
Rund um die Brexit-Verhandlungen möchte Außenminister Sebastian Kurz auch über eine Reform der Sozialhilfeleistungen in der EU verhandeln. Wie berichtet, fordert der ÖVPMinister, dass Bürger aus anderen EU-Staaten erst Anspruch auf Mindestsicherung haben sollen, wenn sie fünf Jahre in Österreich in das Sozialsystem eingezahlt haben. Dieselbe Frist soll für die Notstandshilfe gelten.
Was der Minister nicht dazusagt: Eine Fünfjahresfrist ist bei der Mindestsicherung grundsätzlich jetzt schon vorgesehen. Nur wer länger als fünf Jahre legal aufhältig war, hat auch uneingeschränkten Anspruch (das gilt auch für Drittstaatsangehörige). EU-Zuwanderer, die neu ins Land kommen, müssen sich laut bestehendem EU-Recht selbst erhalten können. Ansonsten können sie auch wieder ausgewiesen werden.
Worum es dem Minister laut seinem Büro konkret geht: Wer einmal in Österreich gearbeitet hat, wenn auch nur kurz, kann zumindest sechs Monate lang Mindestsicherung bekommen (sofern das Vermögen weitgehend aufgebraucht wurde). Was ebenfalls möglich ist: Wer nur ganz wenig verdient, kann eine Aufstockung seines Gehalts über die Mindestsicherung beantragen.
Nur EU-Bürger, die mehr als ein Jahr gearbeitet haben, können dann auch dauerhaft Mindestsicherung beziehen. Wer so lange beschäftigt war, hat freilich auch bereits Anspruch auf Arbeitslosengeld, das eine Versicherungsleistung ist (hier denkt auch Kurz nicht an Einschränkungen). Für diese Gruppe ist die Mindestsicherung also nur dann relevant, wenn das Arbeitslosengeld niedrig ist.
17.730 Bezieher in Wien
Wie viele EU-Ausländer beziehen nun die Mindestsicherung? Da das Sozialgeld Ländersache ist, liegen derzeit keine österreichweiten Zahlen vor. Eine Orientierung liefert aber Wien, wo mehr als die Hälfte aller Bezieher lebt. In der Bundeshauptstadt bezogen im Vorjahr 17.730 EU-Zuwanderer Mindestsicherung. Das entspricht einem Anteil von 9,2 Prozent aller Wiener Bezieher. Zum Vergleich: Beim Arbeitslosengeld lag der Anteil der EU-Zuwanderer zuletzt bei 15,2 Prozent.
Rechtlich wäre eine Umsetzung des Kurz-Vorstoßes jedenfalls nicht einfach zu bewerkstelligen. Europarechtler und Außenamt sind sich einig, dass dies nur über eine Änderung von EU-Recht ginge. Es brauchte dazu eine qualifizierte Mehrheit im Europäischen Rat, also 55 Prozent der Länder, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, sowie eine Mehrheit im EU-Parlament. Will man ganz sichergehen, müsste man sogar die EU-Verträge ändern, was Einstimmigkeit erfordern würde.
Noch komplexer ist die Sache bei der Notstandshilfe. Vom Prinzip her ist auch sie eine Versicherungsleistung. Sie wird im Anschluss an das Arbeitslosengeld gewährt (bis zu 95 Prozent davon), sofern eine vom AMS festgestellte „Notlage“vorliegt. Die Notstandshilfe wird grundsätzlich für ein Jahr gewährt, kann aber immer verlängert werden. Diese Tatsache hat auf ÖVP- bzw. Wirtschaftsseite bereits wiederholt zu Reformrufen geführt.
Auch hier gilt also: Diese Menschen müssen zumindest eine Zeitlang in das Sozialsystem eingezahlt haben. Allgemein gilt die Regel: Es braucht 52 Versicherungswochen in den vergangenen beiden Jahren (bei jungen Menschen reichen 28 Wochen im letzten Jahr).
Wie sehen die Zahlen bei der Notstandshilfe aus? Die angespannte wirtschaftliche Lage in Kombination mit der Arbeitsmarktöffnung hat sich bemerkbar gemacht. Im November 2016 gab es 13.787 Notstandshilfebezieher aus anderen EU-Staaten. Sechs Jahre zuvor waren es nur 4760.
Somit machten die EU-Zuwanderer zuletzt 8,5 Prozent aller 163.098 Notstandshilfebezieher aus. Die meisten ausländischen Bezieher gab es übrigens nicht aus einem EU-Land, sondern aus der Türkei (7559), gefolgt von Serbien (6997). Unter den EU-Zuwanderern waren die Deutschen die größte Gruppe (2619), gefolgt von Rumänen (2248).