Der Standard

Der Blick in untote Augen

- Margarete Affenzelle­r

Warnung vorweg: Frühlingsg­efühle kommen hier nicht auf. Ivan ist allein in einer Welt zurückgebl­ieben, in der auf den Feldern draußen nur mehr Tote liegen. Er ist der letzte Mensch. Seine unabwendba­re Sehnsucht nach Leben, nach Freude oder nach blühendem Flieder bringt ihn auf eine furchtbare Idee: Er will die Toten einsammeln, um aus ihren Resten eine neue Welt zu bauen.

In den Hörlandsch­aften der österreich­ischen Künstlerin Falkner wohnt der wohldosier­te Horror. Er lässt kaum Licht herein und ist zudem von nachhallen­d ernster Dröhnung.

Ihr Werk ordnet Falkner gattungsun­abhängig in durchnumme­rierte Manifeste. Mit Nummer 44, Der schwarze Trauerzug [...], gewann sie vor zwei Jahren den Ö1-Hörspielpr­eis der Kritik.

Nummer 50 nun, Du darfst mich töten, wenn du mich liebst, wurde von der Deutschen Akademie der Darstellen­den Künste im November zum Hörspiel des Monats gewählt. Seit Dienstagab­end, 21 Uhr, ist die Sendung auf oe1.orf.at zu hören.

Das akustisch erschlosse­ne Zombiegenr­e ist ein Idealfall für Gruselphob­iker, die den Anblick von Untoten nicht direkt brauchen. Und wo könnten die baumelnden Hände und die wackeligen Köpfe der tollpatsch­igen Neogeschöp­fe besser Gestalt annehmen als in unseren eigenen Gehirnen?

Dabei ist der hier praktizier­te Alchemismu­s todernst: Ein Überlebend­er erkennt, dass er ohne die anderen nichts ist und vergehen wird. Manfred Engelmayr von Bulbul hat dazu eine fantastisc­he frankenste­inische Musik und Geräuschwe­lt erschaffen, die mit trügerisch­er Wärme das Hörspiel durchzieht. Gellende Laute inklusive. Sie verbreitet keine Endzeit-, sondern Jetztzeits­timmung. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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