Schottland: Sturgeon sucht Rückendeckung
Neuen Anlauf für Unabhängigkeit – Debatte wegen Attentat in London abgebrochen
Antrag 4710 an das schottische Parlament hatte es in sich. Will er doch nicht weniger als die komplette Loslösung Schottlands von Großbritannien erreichen.
Dass sich die britische Premierministerin Theresa May mit dem unangenehmen Ansinnen beschäftigen muss, galt schon vor der Abstimmung am Mittwoch als mehr oder weniger ausgemacht. Regierungschefin Nicola Sturgeon von der Scottish National Party (SNP) scheinen für den Beschluss ihres Antrags zusätzlich zu den 63 Abgeordneten der eigenen Partei die Stimmen der sechs Grün-Mandatare sicher. Das macht bei der Abstimmung, die Mittwochnachmittag nach dem Attentat in London ( siehe Seite 6) vorerst abgebro- chen wurde, eine dünne Mehrheit, die sich dafür ausspricht, die Verhandlungen mit der britischen Regierung über die Abhaltung eines neuen Unabhängigkeitsreferendums voranzutreiben.
Falscher Zeitpunkt
Offen bleibt die Antwort der Regierung in London, die dafür erst die Rechte an das Regionalparlament abtreten müsste. May hatte in einer ersten Reaktion mit „Nicht jetzt“abgewunken.
„Wenn die britische Regierung das schottische Parlament in dieser fundamentalen Angelegenheit ignorieren kann, was sagt das über die gleichberechtigte Partnerschaft innerhalb Großbritanniens aus?“, fragte Sturgeon zu Beginn der zweitägigen Parlamentsdebatte. Sie warf der britischen Pre- mierministerin wiederholt vor, sämtliche Vorbereitungen für den so genannten harten Brexit „komplett unilateral“zu treffen. Geht es nach Sturgeon, soll der neue Anlauf zur Unabhängigkeit zwischen Herbst 2018 und Frühling 2019 erfolgen, am liebsten noch vor dem planmäßigen Ausscheiden Großbritanniens aus der EU.
Aufhorchen ließ am Mittwoch der ehemalige Staatssekretär Alex Neil mit seiner Forderung, der schottischen Bevölkerung zwei Fragen zu stellen: „Wollen Sie, dass Schottland ein unabhängiger Staat wird?“, und: „Wollen Sie, dass ein unabhängiges Schottland Mitglied der EU wird?“Seiner Ansicht nach sei es jedenfalls „nicht verlockender für Schottland, künftig von Mr. Juncker regiert zu werden“.