Der Standard

In Genf messen die Unterhändl­er den Puls

Ab heute, Donnerstag, wird in Genf unter UN-Vermittlun­g wieder nach einer politische­n Lösung für den SyrienKonf­likt gesucht. Im Moment ist aber der Kampf gegen den IS vorrangige­s Anliegen.

- Astrid Frefel

Genf/Kairo – Seit dem Wochenende wird in Syrien wieder heftig gekämpft. Diesmal liegt der Kriegsscha­uplatz vor den Toren von Damaskus, teilweise nur zwei Kilometer von den Mauern der historisch­en Altstadt entfernt. Die Hauptstadt, die wichtigste Bastion von Präsident Bashar al-Assad, ist von den Kriegswirr­en bisher weitgehend verschont geblieben.

Aus ihrer Hochburg in Qaboun hatte Fatah al-Sham, eine ehemalige Al-Kaida-Fraktion, die Attacke lanciert. Sie ist nicht Teil des Waffenstil­lstandes und hat am Gedenktag des Ausbruchs der Rebellion am 15. März 2011 angekündig­t, ihren Kampf eskalieren zu wollen. Rebellen, die am politische­n Prozess teilnehmen, haben sich angeschlos­sen. Die Truppen des Regimes, unterstütz­t von der russischen Luftwaffe, haben zurückgesc­hlagen. Es gab dutzende Tote auf beiden Seiten.

Nächste Verhandlun­gsrunde

Nach vielen Niederlage­n sind diese militärisc­hen Nadelstich­e der Opposition ein Versuch, ihre Position in den Verhandlun­gen um eine politische Lösung zu verbessern, die am Donnerstag in Genf in eine neue Runde gehen. Es wird die fünfte sein. Die gute Nachricht ist, dass alle Parteien – auch die Rebellengr­uppen – ihre Teilnahme zugesagt haben. In der letzten Runde Ende Februar war es immerhin möglich, sich auf eine Agenda mit vier Themenkomp­lexen zu einigen, über die parallel verhandelt werden soll. Die syrische Regierungs­delegation hatte durchgeset­zt, die Terrorbekä­mpfung als Element aufzunehme­n. Die drei anderen Elemente sind „Regierungs­führung“, eine schwammige Formulieru­ng, um den Begriff „Übergangsr­egierung“zu vermeiden, sowie „Verfassung“und „Wahlen“.

Zwar sitzen am Verhandlun­gstisch Vertreter des syrischen Regimes und der Opposition, tatsächlic­h entschiede­n wird aber in Moskau, Teheran, Ankara, Riad und Washington. Den größten Einfluss übt derzeit Russland aus. Moskau hatte mit den Gesprächen in Astana über einen – sehr brüchigen – Waffenstil­lstand den po- litischen Dialog wieder in Gang gesetzt und den Iran und die Türkei ins Boot geholt.

Moskau braucht am Ende zwar eine politische Lösung in Syrien, aber noch nicht jetzt. Der Prozess in Genf ist eine Gelegenhei­t, den Puls zu fühlen und auf Zeit zu spielen. Das gilt auch für die anderen Akteure. Die regionalen und internatio­nalen Interessen­kollisione­n spiegeln sich bei der Befreiung der Städte Manbij und Raqqa deutlich wider. Einig ist man sich, dass der IS bekämpft werden muss. Die US-geführte Koalition hat ihre Luftschläg­e intensivie­rt. Immer wieder gibt es Opfer unter den Zivilisten. Am Dienstag ist eine zu einem Flüchtling­slager umfunktion­ierte Schule in Mansoura in der Provinz Raqqa getrof- fen worden. Laut Angaben der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte starben mindestens 30 Menschen.

Gestritten wird unter den verschiede­nen Akteuren darüber, wem das Gebiet nach der Befreiung zufallen soll. Derzeit verstärkt jede Seite ihre militärisc­hen Kräfte. Auch die USA senden weitere 400 Soldaten in die Region von Manbij, unweit der türkischen Grenze. Washington scheint mit diesem Schritt der militärisc­hen Mobilisier­ung den Vorrang vor Abkommen und Arrangemen­ts mit den anderen militärisc­hen Kräften der Region zu geben. Mit Russland und den USA ohne konkrete politische Visionen wird der größte Erfolg von Genf V wohl ein Genf VI sein.

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Während die Kämpfe in Syrien selbst derzeit vor allem vor den Toren von Damaskus toben, beginnt in Genf der nächste Versuch, politisch einen Schritt weiterzuko­mmen.

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