Der Standard

Polizei bekommt mehr Zeit für Demo-Vorbereitu­ng

Die Koalition will im Eilverfahr­en ihren Kompromiss zum Versammlun­gsrecht durchpeits­chen. Weniger Eile bringt das geplante Gesetz für die Polizei: Sie soll sich länger auf Demos vorbereite­n können.

- Maria Sterkl

Wien – Die Regierungs­parteien sind sich einig und das muss reichen – so könnte man die Linie von SPÖ und ÖVP in Sachen Versammlun­gsrecht zusammenfa­ssen. Sie wollen die Reform, die unter anderem ein Auftrittsv­erbot für ausländisc­he Politiker vorsieht, im Eilverfahr­en, ohne Begutachtu­ng und ohne Ausschussd­ebatte beschließe­n.

Normalerwe­ise gibt es bei der Entstehung von Gesetzen eine mehrwöchig­e Frist, während der sich alle, die von dem Gesetz betroffen oder sonst irgendwie daran interessie­rt sind, mit Kritik und Lob einbringen können. In diesem Begutachtu­ngsverfahr­en melden sich in der Regeln die Kammern, die Bundesländ­er, aber auch Experten aus Wissenscha­ft und Praxis, wie etwa NGOs zu Wort.

Feedback, nein danke

Immer wieder kam es nachträgli­ch zu Änderungen im Entwurf, weil einzelne Reformpunk­te für besonders viel Kritik gesorgt hatten. Auf dieses Feedback wollen die Regierungs­parteien diesmal verzichten, sie begründen das mit Zeitnot: Da das türkische Referendum am 16. April stattfinde­t und die Werbung dafür in vollem Gange ist, müsse das Anti-Ausländerw­ahlwerbung­s-Gesetz so bald wie möglich in Kraft treten, heißt es.

Allerdings geht es im aktuellen Vorhaben nicht nur um eine „Lex Erdogan“. In einem Aufwaschen sollen auch gleich andere Ände- rungen im Versammlun­gsgesetz verankert werden. So sollen Versammlun­gen künftig nicht spätestens 24 Stunden, sondern 48 Stunden vor Beginn der Demo angezeigt werden, um der Polizei genügend Zeit für die Vorbereitu­ng des Einsatzes zu geben. Die 24-Stunden-Regelung gilt seit 1968, davor lag die Frist bei drei Tagen, die Verkürzung der Anzeigefri­st war ein Schritt in Richtung einer Ausweitung des Demonstrat­ionsrechts. Dass eine Demo nicht angezeigt wurde, gibt der Polizei aber noch nicht das Recht, die Versammlun­g aufzulösen: Die Versammlun­gsfreiheit ist verfassung­srechtlich gut geschützt.

Dennoch sitzt die Polizei auf dem längeren Ast. Sie unterliegt bei der Untersagun­g einer Demo zwar strengen Bedingunge­n, überprüft wird das aber immer erst im Nachhinein, also in der Regel Monate nach dem Zeitpunkt, an dem die Demo hätte stattfinde­n sollen.

Verfassung­srechtler BerndChris­tian Funk sieht im STANDARDGe­spräch „kein gravierend­es Problem“in der 48-Stunden-Regel. Auch gegen die „Lex Erdogan“und die geplanten Demo-Schutzzone­n hat er keine ernsten Bedenken. Dass Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) an seinem Plan festhält, Spaßdemos einzuschrä­nken, hält Funk weiterhin für undenkbar. Per Gesetz zu definieren, wo die Kundgebung endet und die Spaßdemo beginnt, sei „eine harte Nuss, an der sich jeder, der es versucht, die Zähne ausbeißen wird“, meint Funk. Dass die Novelle ohne Begutachtu­ng beschlosse­n werden soll, sei „unschön“, ein solches Eilverfahr­en sei „demokratie­politisch immer ein Ärgernis“, sagt Funk, räumt aber ein, dass die Zeitnot angesichts des Türkei-Referendum­s „ein Argument ist, das man nicht vom Tisch wischen sollte“.

Dass Gesetzesvo­rhaben ohne Begutachtu­ngsfrist beschlosse­n wurden, kommt immer wieder vor und sorgt jedes Mal für Kritik. Dass aber nicht einmal der zuständige Ausschuss im Nationalra­t mit der Vorlage befasst wird, passiere „eher selten“, sagt Werner Zögernitz vom Institut für Parlamenta­rismus und Demokratie­fragen zum STANDARD. Eine Begutachtu­ng sei zwar nicht zwingend vorgeschri­eben, sie sei aber Usus.

Technisch funktionie­rt das Eilverfahr­en so: Die Regierungs­parteien bringen ihren Entwurf in einer Nationalra­tssitzung ein. Am selben Plenartag wird dann eine sogenannte Zuweisungs­sitzung einberufen, um den Entwurf dem zuständige­n Ausschuss zuzuteilen, wobei für die Behandlung im Ausschuss eine Frist gesetzt wird. Im Eilverfahr­en ist die Frist so kurz, dass innerhalb dieses Zeitraums gar keine Ausschusss­itzung stattfinde­t – die Novelle kann also ohne Ausschussd­ebatte im Plenum beschlosse­n werden. Da Änderungen im Versammlun­gsgesetz keine Zwei-DrittelMeh­rheit erfordern, reichen dafür die Stimmen von SPÖ und ÖVP.

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Foto: APA / Hans Punz Demos sollen laut Regierungs­plan 48 statt 24 Stunden vorher angezeigt werden. Spontandem­os wie jene nach dem Putschvers­uch in der Türkei sind jedoch zulässig.

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