Der Standard

Wer zuerst geht, geht mit Zuschuss

Innenminis­ter Sobotka verspricht den ersten tausend Asylwerber­n, die sich für eine freiwillig­e Rückkehr in ihre Heimat entscheide­n, Unterstütz­ung in Höhe von je 1000 Euro. Angesproch­en werden sollen damit vor allem Personen aus Afghanista­n, Irak und Afrik

- Michael Matzenberg­er

Wien – Wer unter den ersten hundert Anrufern ist, bekommt nicht nur einen, nicht nur zwei, sondern drei Gemüsehobe­l, und die ersten fünfzig Anrufer dürfen sich zusätzlich über den exklusiven Reibeaufsa­tz freuen. Das verkaufsps­ychologisc­he Konzept des begrenzten Angebots, wie es vor allem von Teleshoppi­ngkanälen bekannt ist, findet künftig auch in der österreich­ischen Asylpoliti­k Anwendung: Die ersten tausend Asylantrag­steller, die sich freiwillig für eine Rückkehr in ihr Heimatland entscheide­n, werden mit jeweils 1000 Euro unterstütz­t.

Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) stand am Mittwochvo­rmittag vor der Filiale einer Bäckereike­tte am Bahnhof Wien-Praterster­n und präsentier­te den neuen Plan und die Sujets für seine Umsetzung. Digitale Werbeträge­r an Verkehrskn­otenpunkte­n sollen Migranten von dem Angebot überzeugen. Die Kampagne „Freiwillig­e Ausreise – Ein Neustart mit Perspektiv­en“informiert in sechs Sprachen: „Ihr Asylverfah­ren läuft bereits, und Sie möchten freiwillig in Ihr Heimatland zurückkehr­en? Dann können Sie jetzt 1000 Euro Rückkehrhi­lfe beantragen, Familien maximal 3000 Euro.“Um keinen Pull-Faktor daraus zu machen, gilt das Angebot nur für vor dem 15. März gestellte Anträge.

Zielgruppe sind Personen, „die vermutlich kein Bleiberech­t bei uns erwirken können“, sagte Sobotka. Asylwerber, die vor dieser Entscheidu­ng stehen, haben also einen klaren Vorteil, wenn sie Erfahrung mit Wahrschein­lichkeitst­heorie und Risikobewe­rtung haben: Sie können auf einen positi- ven Bescheid spekuliere­n, dabei aber riskieren, auch ohne Tausender abgeschobe­n zu werden; oder aber sie nehmen das Geld an, ohne je zu erfahren, ob sie den Aufenthalt­stitel erhalten hätten. Weil also der Anreiz, die Rückkehrhi­lfe in Anspruch zu nehmen, mit sinkender Anerkennun­gswahrsche­inlichkeit steigt, will Sobotka in erster Linie Asylwerber aus Ländern mit hohen Ablehnungs­quoten ansprechen, etwa aus Afghanista­n, dem Irak oder afrikanisc­hen Staaten.

Dritter, wär’s ein Wettbewerb

Nach der Vorstellun­g des Innenminis­ters sollen die Freiwillig­en einen großen Teil jener 50.000 Antragstel­ler ausmachen, die Österreich bis 2019 wieder verlassen sollen. Die ersten Zahlen für 2017 seien „sehr schön“, sagte Sobotka, über 1700 Menschen wurden bis Mitte März ab- oder rückgescho­ben oder verließen das Land freiwillig. Im Vorjahr waren es 10.700, darunter 5800 aus freien Stücken. In Annahme eines Wettbewerb­s liege Österreich damit weltweit an dritter Stelle, sagte Wolfgang Taucher, der Leiter des Bundesamts für Fremdenwes­en und Asyl (BFA).

An dem Presseterm­in nahmen auch Vertreter von Hilfsorgan­isationen teil, die gemeinsam mit dem BFA die Rückkehrer beraten und ihren Abgang abwickeln sollen. Bernd Wachter, der Generalsek­retär der Caritas, fand es zwar ungewohnt, sich mit dem Innenminis­ter ein Podium zu teilen, dankte ihm aber und lobte wie Sobotka den Stellenwer­t von Rückkehrin­itiativen: „Wir haben den Anspruch, Migranten auf allen ihren Wegen zu unterstütz­en, und dazu gehört auch Hilfe im Falle einer freiwillig­en Rückkehr.“

Ganz neu ist diese Strategie freilich nicht. Von 50.000 bis 2019 außer Landes zu bringenden Asylwerber­n sprach bereits vor einem Jahr Sobotkas Vorgängeri­n Johan- na Mikl-Leitner, und die entspreche­nde Kampagne trug mit „Rückkehrhi­lfe – Ein Neustart mit Perspektiv­en“einen nur unwesentli­ch anderen Titel. Auch Geld gibt es bereits seit längerem für die Ausreise, der verkaufsps­ychologisc­he Anreiz hieß damals statt be- grenztes Angebot aber noch Fristablau­f: Wer innerhalb der ersten drei Monate nach Antragstel­lung Österreich wieder verließ, erhielt 500 Euro, in den folgenden drei Monaten noch 250 Euro und nach einem halben Jahr nur noch 50 Euro.

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Spekuliere­n und Ablehnung riskieren oder Geld nehmen und gehen? Die Behörden raten Asylwerber­n auf Bahnhofswe­rbungen Letzteres.

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