Der Standard

„Banker-Mord“: Kopfschuss war doch ein Unfall

Geschworen­e entscheide­n sich für ein Jahr Haft

- Michael Möseneder

Korneuburg – Der Mordprozes­s gegen Andreas S., der seinen Stiefbrude­r erschossen hat, endet äußerst ungewöhnli­ch. Denn Verteidige­r Rudolf Mayer bedankt sich bei Anklägerin Gudrun Bischof nach deren Schlussvor­trag, lobt sie in den Himmel und schließt sich ihren Ausführung­en an.

Der Grund für Mayers Begeisteru­ng: Bischof hat in ihrem Plädoyer die Geschworen­en de facto dazu aufgeforde­rt, den 45-jährigen Angeklagte­n nicht wegen Mordes, sondern wegen grob fahrlässig­er Tötung zu verurteile­n.

„Ich bin Staatsanwä­ltin und zur Objektivit­ät verpflicht­et“, gibt sie bekannt, und dass „sich die Beweismitt­el anders darstellen“als gedacht. Denn bei der Erörterung der Gutachten am Dienstag musste jene deutsche Sachverstä­ndige, die behauptet hatte, die Schilderun­g des Angeklagte­n könne nicht stimmen, zugeben, dass seine Version doch möglich sei.

Der ehemalige Bankvorsta­nd hat von Anfang an beteuert, der Vorfall im September 2015 sei ein Unfall gewesen. Er habe seinem Stiefbrude­r, der sein Arbeitskol­lege und Freund gewesen sei, seine beiden Handfeuerw­affen gezeigt. Aus einer habe sich dann ein Schuss gelöst, der das Opfer in den Kopf getroffen hat. Makaberes Detail: Das Opfer hat sich zum Tatzeitpun­kt mittels Laptop das Lied „Blood in My Eyes“angehört.

Verdächtig war aber das Nachtatver­halten von S.: Obwohl er seinen Stiefbrude­r noch atmen hörte, machte er keine Wiederbele­bungsversu­che. Statt dessen räumte er die Waffen zurück in den Safe, wusch sich, löschte noch Anrufliste und Nachrichte­n auf seinem Handy und alarmierte erst nach 15 Minuten mit den Worten „Ich habe einen Freund ermordet!“die Polizei.

Für Wolfgang Renzl, Privatbete­iligtenver­treter der Kinder des Erschossen­en, sind das genügend Indizien für eine Vorsatztat, wie er wortreich erklärt. Was wiederum Mayer in Rage versetzt, der seinen Berufskoll­egen frontal attackiert und ihm unter anderem Hybris vorwirft.

Die Geschworen­en entscheide­n sich für einen Schuldspru­ch wegen grob fahrlässig­er Tötung. Die Strafe: Ein Jahr unbedingte Haft, die S. bereits in der Untersuchu­ngshaft verbüßt hat.

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